Zitat von Zettel
Zitat von vielleichteinlinker (aside: Was ich mit Interesse verfolge ist die Tatsache, dass bei "Linken" die Gegenseite gerne als "böse", "unmoralisch" charakterisiert wird derweil Sie und die "Rechten" eher auf "Naivität" und "Dummheit" zurückgreifen, blöd find' ich beides.)
Da ist was dran.
Ui, das wird wieder eine lustige Diskussion : wir alle dreschen auf das ein, was wir für die Grundessenz des Linksseins halten, während nur ein einziger sich für (vielleicht) einen Linken hält, das wahrscheinlich recht anders sieht, aber allein kaum hinter den Postings von zehn Konservativen oder Liberalen herkommt...
Zitat von Zettel Linke sehen die Politik (ähnlich übrigens wie Ultrakonservative à la Carl Schmitt) nicht als einen Ausgleich von Interessen an, sondern als einen Kampf. Die Grundkategorie des Politischen ist bei Schmitt Freund-Feind. So auch bei den meisten Linken, nicht nur bei Lenin.
Diesen Kampf führen Linke für eine bessere Welt. Sie sind überzeugt, daß die Verhältnisse so, wie sie jetzt existieren, schlecht sind, und daß es deshalb gut ist, sie besser zu machen.
Sofern "Rechte" für diese schlechte Welt stehen, sind sie also selbst schlecht (oder böse, wenn es noch moralischer wird).
Ich sehe das ein bisschen anders. Aus meiner Sicht ist der Hauptunterschied zwischen Linken und dem Rest der Welt die Überzeugung von der Verstehbarkeit der Welt. Grundlegend für die linke Weltsicht ist, dass man die Welt prinzipiell verstehen kann, dass man relativ einfache Kausalitäten erkennen kann (Frauen verdienen weniger? Das muss an Benachteiligung liegen!). Und weil die Kausalitäten so klar sind, kann man nach linker Überzeugung auch Gegenmaßnahmen einleiten, die erfolgreich sein werden, gerade weil man auch die Auswirkungen dieser Maßnahmen überschauen kann. Unintended consequences sind in dieser Weltanschauung so gering in ihren Auswirkungen, dass man sie in erster Näherung vernachlässigen kann - und gegebenenfalls durch eigene Maßnahmen gegensteuern kann.
Das ganze mündet in ein großes Vertrauen in die Fähigkeiten von Spezialisten, die Welt zu verstehen, zu erklären und zu verbessern. Insbesondere müssen diese Verbesserungen natürlich von Experten auf dem jeweiligen Gebiet durchgeführt werden, denn nur etwa Sozialarbeiter haben den Überblick und das Verständnis für die Probleme von Migranten. Entsprechend muss das Mitspracherecht von Nicht-Experten reduziert werden, sofern die Nicht-Experten nicht von den Experten überzeugt werden können.
Konservative und Liberale halten die Welt für deutlich weniger verstehbar. Insbesondere rechnen sie damit, dass groß angelegte Programme und Maßnahmen unvorhergesehene Konsequenzen haben können, die deutlich schwerwiegender sein können als Linke es glauben. Darauf reagieren sie unterschiedlich - der Liberale will einfach mal alles ausprobieren, der Konservative ist überzeugt, dass bewährte Strukturen bis zum Beweis eines Anderen geeignet sind, mit der Welt fertigzuwerden, und daher zunächst einmal beibehalten werden sollten.
Soviel meine Vorstellungen 
NACHTRAG: daher auch die Dichotomie "dumm" gegen "böse" - für den Nicht-Linken ist der Linke dumm, weil er nichts daraus gelernt hat, dass all die Weltverbesserungspläne von Linken nichts gebracht und häufig in Katastrophen geendet haben. Und für den Linken ist der Nicht-Linke böse, weil die Welt seiner Ansicht nach doch versteh- und verbesserbar ist; jemand, der dem entgegensteht, kann daher nur moralisch schlecht sein, niedrige Motive haben - oder ein "falsches Bewusstsein", daher der typisch linke Drang zur Volksaufklärung.
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
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