Dem größten Teil des Beitrags stimme ich zu, aber wie Calimero sehe ich nicht die angeblichen Überschneidungen zwischen liberaler und grüner Wählerschaft.
Zitat Nicht alle, die der FDP von der Fahne gegangen sind, wollen jetzt die Grünen wählen. Nicht der gesamte Zulauf zu den Grünen kommt aus dem Reservoir der FDP.
Ich kenne keine aktuellen Untersuchungen dazu. Aber in der Vergangenheit war es gerade umgekehrt: Wählerwanderungen zwischen Grünen und Liberalen gab es nur marginal.
Zitat Ihre Klientel - das "progressive", überwiegend wohlhabende Bürgertum - teilen sie weitgehend mit der FDP.
"Teilen" paßt hier nicht. Sonst müßte man ähnlich sagen: Alle deutschen Parteien "teilen" sich dasselbe Klientel, nämlich die volljährigen Deutschen. Richtig ist, daß sowohl bei Grünen wie bei FDP im Schnitt besser gebildete und wirtschaftlich besser gestellte Wähler dominieren. Aber abseits dieser Grobeinteilung sind es sehr unterschiedliche Wählergruppen. So haben zwar grüne und liberale Wähler häufig studiert - aber sehr unterschiedliche Fachrichtungen! Der "typische" FDP-Wähler hat Wirtschaft, Jura oder Ingenieur studiert, arbeitet in der Wirtschaft und zahlt den Staat. Der typische Grünwähler hat Gesellschafts- oder Sozialwissenschaften studiert und bezieht sein Einkommen vom Staat (entweder direkt im öffentlichen Dienst oder indirekt aus öffentlichen Aufträgen/Fördermitteln).
Zitat Denn keine deutsche Partei hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten so gewandelt wie die Grünen.
Ich würde im Gegenteil sagen: Keine Partei hat sich so wenig gewandelt, ist so altbacken immer noch an der Geisteswelt der 70er Jahre orientiert. Gerade das macht sie ja für die Nostalgiker so attraktiv!
Zitat Im Krisenjahr 2009 hat man die FDP gewählt, weil man ihr eher zutraute, die Krise zu bewältigen. Im Aufschwungsjahr 2010 kann dasselbe "progressive" Bürgertum sich wieder mehr der Gesinnung zuwenden; dem Romantischen und auch einem gewissen Hedonismus, wie ihn die Grünen ja längst auch verkörpern - Claudia Roth statt Petra Kelly.
Die Effekte sehe ich ähnlich - aber es sind NICHT dieselben Wähler! In beiden Fällen sehe ich eher einen Austausch mit den Nichtwählern (teilweise auch dem Koalitionspartner). Die FDP-Wähler von 2009 sind verärgert, weil die FDP so wenig von ihren Versprechungen liefern konnte. Aber deswegen gehen sie doch nicht zu den Grünen, die genau das Gegenteil wollen! Und umgekehrt waren viele Grünwähler von der praktischen Regierungspolitik der Grünen enttäuscht. Und sind heute wg. Symbolthemen wie Castor oder S21 wieder voll motiviert.
Nicht zu vergessen: Bisher reden wir ja nur über Umfragewerte, da werden solche Effekte immer überzeichnet. Wir haben noch kein konkretes Wahlergebnis zum grünen Höhenflug oder zum liberalen Absturz. Man wird bei der nächsten Wahl sehen, wie die Leute sich wirklich verhalten.
Zitat Aber daß die FDP und die Grünen inzwischen weitgehend um dieselben Wähler konkurrieren, ist ein strukturelles Faktum ...
Da hätte ich gerne konkrete Belege - alle mir bekannten Untersuchungen sagen das Gegenteil.
Zitat Aus meiner Sicht sollte die FDP stärker als jetzt die Grünen als ihren Hauptgegner erkennen und sich entsprechend verhalten.
Das ist richtig. Und eigentlich tut sie das auch - die Grünen sind seit Jahren Hauptgegner der FDP und der beste Motivationsfaktor für FDP-Wähler.
Zitat Die Bereitschaft, für den Klimaschutz finanzielle Einbußen hinzunehmen, ist recht begrenzt
In der Gesamtbevölkerung schon. Bei den Grünwählern ist das anders. Natürlich wollen auch die nicht wirklich in dem Ausmaß zahlen, wie es den grünen Forderungen entspräche. Aber ein überschaubares Geld zu zahlen, um sein Gewissen zu beruhigen und sich vor allem viel edel über den Normalspießer erheben zu können - das ist denen ein Bedürfnis. Es wäre eine mentale Katastrophe für diese Leute, wenn Verbesserungen ohne Opfer möglich wären.
Zitat Mit wem würden die Grünen eigentlich koalieren, wenn sie an die Regierungsmacht kämen? Mit der SPD natürlich und, falls numerisch erforderlich, auch mit den Kommunisten.
Sicher würden sie das. Alle (älteren) Führungskader der Grünen haben ja einen kommunistischen Hintergrund, waren immer viel weiter links als die SPD - die echten Umweltschützer sind doch schon bald nach Parteigründung ins Abseits gedrängt worden.
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