Zitat von TechniknörglerSicherlich, ausgeschlossen ist eine Modernisierung der islamischen Welt nicht. Eine Modernisierung des Islams, die mit der Aufklärung kompatibel ist, ist ebenfalls nicht ausgeschlossen, auch wenn ich ich denke, der Islam hat es da schwieriger als das Chrsistentum oder Judentum.
Interessante Frage, lieber Techniknörgler.
Alle Kulturen haben es zunächst einmal leichter, als es das Abendland hatte, sich zu modernisieren, weil sie ja nur unsere Kultur zu kopieren brauchen. Und das machen sie ja auch alle; Japan seit dem 19. Jahrhundert, China etwas später, Indien allmählich in der Kolonialzeit und danach, ebenso die meisten Staaten Afrikas.
Andererseits gibt es bei der Übernahme der westlichen Kultur offenbar unterschiedliche Probleme. Alte Hochkulturen wie die Chinas, Japans und Indiens haben es am einfachsten, denn sie können das absorbieren, was sie von uns übernehmen wollen, und behalten trotzdem ihre Identität. Ihre Kulturen sind ja bis ins 17. Jahrhundert der unseren nicht unterlegen gewesen.
Schwieriger ist es in Ländern, die vor der Kolonisierung nicht über Stammes- oder allenfalls frühfeudale Gesellschaften hinausgekommen waren. Sie sehen - vor allem in Afrika - ihre Kultur bedroht. Zu Recht.
Was nun die islamischen Länder angeht, habe ich glaube ich schon einmal geschrieben, daß ich sie nicht als Einheit sehe. Die Religion ist so wichtig nicht. Indonesien ist, obwohl ein überwiegend moslemisches Land, den umgebenden Kulturen viel ähnlich als, sagen wir, Persien oder Saudi-Arabien. Die Kultur der Türkei ist in vielem eine mediterrane Kultur und damit ganz anders als, sagen wir, die Kultur der Afghanen oder der Kirgisen oder die auf den Malediven.
Ich sehe nicht, daß es generell an dem Potential zur Modernisierung fehlen würde, nur weil ein Land islamisch ist. Das Problem ist aus meiner Sicht, ich habe das schon einmal geschrieben, ein Problem des Orients, dh der Nachfolgestaaten des Osmanischen Reichs. Dieses war extrem rückständig, es gab keine wesliche Kolonialisierung.
Zitat Doch wie ist die Rede von einer zu beobachtenden Moderniesierung mit dem Kurs, den die Türkei einschlägt, vereinbar? Sicherlich, es gibt wachsende Modernisierungsbestrebungen (zum Teil auch dank moderner Medien und Kommunikationsmittel, inklusive Internet). Sie setzen sich aber noch lange nicht durch und in dem Land, in dem Sie durchgesetzt wurden, wird die Uhr durch eine demokratisch (in ummanipulierten Wahlen) legitimierte und offenbar regelmäßig durch die Mehrheit unterstützte Regierung zurück gedreht.
Das ist in der Tat der momentane Trend in der Türkei, seit Erdogan an der Macht ist. Aber er ist meines Wissens überhaupt der erste explizit islamische Regierungschef seit Kemal Pascha. Und er ist - so bedenklich seine Kombination von Religiosität und einer Neigung zu osmanischem Imperialismus ist - ja kein Mann, der nun gleich die Scharia einführen will.
Wie lange wird der jetzige konservative Trend in der Türkei dauern? Das weiß niemand. Wer 1960 die Gesellschaft der Bundesrepublik beschrieb, der hatte eine durch und durch konservative, vom Katholizismus geprägte Gesellschaft vor sich. Hätte er das extrapoliert, dann hätte er schon zehn Jahre später völlig schief gelegen.
Die jetzige religiöse Wende in der Türkei dürfte viel mit dem Modernisierungsschub zu tun haben. Das erzeugt oft Gegenbewegungen. In Deutschland war die Romantik eine solche ja teils stark religiös gefärbte (Brentanto, Fouqué) Gegenbewegung; die späteren waren weniger religiös als von einem diffusen Geist des "zurück zur Natur" erfaßt, bis hin zu den heutigen Ökos und deren Pseudoreligiosität.
Tempora mutantur nos et mutamur in illis. Das einzig Beständige in der Geschichte ist der Wechsel. Nein, noch nicht mal der ist beständig.
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