Zitat von Zettel Lassen Sie mich ein ganz subjektives Beispiel nennen. [...] Aber soweit ich das beurteilen kann, ist ihnen ziemlich schnuppe, was irgendwelche Ayatollahs und Mullahs sagen.
Und vor allem ist ihnen ziemlich schnuppe, was der Koran sagt. Und da liegt ein bischen die Crux drin. Was Sie beschreiben, lieber Zettel, sind nach meinem Dafürhalten keine Moslems, zumindest keine Gläubigen. LePenseur nannte das Analogon gerade einen Taufscheinchristen. Schönes Wort. Nur leider hat der "Taufscheinmoslem" ein Problem wie das letzte Einhorn, er ist ziemlich selten. Nicht selten genug, dass man keinen kennt (ich kenne durchaus ein vergleichbares Exemplar mit dem ich auch das eine oder andere Glas Wein getrunken habe), aber eben doch sehr selten.
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Wenn es gelingt, diese Art von Religiosität von Moslems so zum Normalfall in Deutschland zu machen, wie die Christen in der Regel keine Evangelikalen sind und die Juden nicht orthodox, dann wird sich auch der Islam ändern.
Auch das glaube ich nicht. In diesem, wie ich meine unwahrscheinlichen, Fall, wird sich der Mensch ändern, aber nicht der Islam. Die Glaubensinhalte des Islam werden nicht in Deutschland gemacht, genausowenig wie die katholischen Inhalte. Diese werden in Rom gemacht und der Islam wird im Iran, in Saudi-Arabien und Pakistan gemacht. Und dort wird sich der Islam nicht ändern, jedenfalls sicher nicht in die hier gewünschte Richtung.
Zitat Wahrscheinlich wird es immer Fundamentalisten geben, auch in Deutschland. Aber daß sie die Lebenspraxis der Moslems bestimmen, sehe ich nicht.
Die Zahlen sind ein wenig angestaubt, aber laut Zentrum für Türkeistudien ist die Zahl der "streng gläubigen", türkischen Muslime von 8% im Jahr 2000 auf 28% im Jahr 2005 angstiegen, ich wage die Aussage, seitdem ist es mehr geworden. Im selben Jahr 2005 bezeichneten sich 83 Prozent (!) der befragten Türkischstämmigen als "eher religiös" oder "streng religiös". Da man den Islam wohl ehrlicherweise als durch und durch fundamentalistisch betrachten kann, komme ich zu dem Ergebnis, dass die Fundamentalisten inzwischen erheblich grösseren Einfluss auf die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland ausüben, als unsere Grundordnung. Und das betrifft türkischstämmige, also einen Teil der Bevölkerung die schon seit Jahrzehnten mit "unserem" Verständnis konfrontiert sind. Ich nehme an, wenn ähnliche Umfragen unter der arabischstämmigen Bevölkerung durchgeführt werden, dann werden uns die Zahlen noch mehr erschrecken.
Zitat Aber auch pessimistische Prognosen, die einen unveränderbaren Islam erwarten, müssen nicht stimmen.
So ist es. Und dennoch würde man die Prognose mit einem Lottoschein am nächsten Samstag zu gewinnen, wohl eher realistisch und nicht pessimistisch nennen. Der Islam hat inzwischen über 200 Jahre Kontakt zur Aufklärung. Und reformiert hat sich nichts. Es ist einfach nicht wahrscheinlich, dass das in den nächsten 10 oder 20 Jahren passieren wird. Ich sage nicht, dass es nicht geht, nur, dass es unwahrscheinlich ist. Sehr wahrscheinlich dagegen ist, dass die muslimische Bevölkerung stark wächst, während die nichtmuslimische deutlich abnimmt. Und dann muss man nur noch zwei und zwei zusammenzählen. Und jetzt lege ich noch einen nach, lieber Zettel, erschwert wird die Situation dadurch, dass wir kurz vor dem Rollback stehen. Die autochthone Bevölkerung macht nicht mehr mit, sie sieht die Probleme, die die Politik jahrelang verursacht und begraben hat. Und es ist schwer Druck auf dem Kessel. Wenn der Rollback kommt, und ich bin sicher, dass wird in den nächsten 20 Jahren passieren, dann erleben wir auf der anderen Seite eine Wagenburgmentalität. Und das wird eine Reformation erst recht behindern. Wenn ich wirklich pessmistisch sein soll, dann wäre meine Prognose, dass wir in vielleicht 20-40 Jahren in einigen europäischen Ländern vor einem Bürgerkrieg stehen. Das will keiner hören, das weiss ich, hat was von Kassandra-Rufen und Endzeitverschwörungstheorien. Ich würds auch gerne anders sehen. Ich sehe nur nicht wie.
Zitat PS: Ich freue mich, lieber Llarian, daß wieder Beiträge von Ihnen hier zu lesen sind.
Vielen Dank. Mal sehen, wie lange es Sie freut, wenn ich erst wieder mit Frau Merkel anfange ... 
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