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Martin
Beiträge: 4.129
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27.01.2011 10:54 |
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RE: Noch keine Affäre. Aber auch kein Freispruch
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Antworten
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Lieber Llarian,
ich darf nochmal Ihre Aussage vom 22.1 zitieren:
Zitat Nun gibt es, so wie Sie argumentieren, immer wieder Menschen die (teilweise recht lapidar) ausdrücken, dass Unfälle eben passieren. Das ist eine Sicht, die man sich in der heutigen Industrie nicht mehr leisten kann. Unfälle dürfen eben nicht passieren. Das sie das doch tun, liegt an der Diskrepanz zwischen Forderung und Wirklichkeit.
Irgendwie scheinen Sie mit der Realität zu hadern. Unfälle sind Fakt, ob in der Industrie oder sonstwo. Unsere Gesellschaft geht inzwischen formale Wege, um Unfälle zu minimieren, das ist richtig:
Zitat Wo wir vielleicht nicht beeinander sind ist, wo der Stand der Technik nun ist. Denn die Gesetzgebung sagt auch bisweilen klar, dass wenn ein Verfahren nicht sicher durchgeführt werden KANN, das die Alternative nicht ist, es dann unsicher durchzuführen, sondern es eben gar nicht durchzuführen.
Der 'Stand der Technik' spielt bei Gerichtsurteilen zu Haftungsfragen, u.a. nun mal eine große Rolle. In Sicherheitsrichtlinien wie der von Ihnen wiederholt zitierten Machinery Directive (MD) ist 'Stand der Technik' meist durch einen Bezug auf Sicherheitsnormen abgedeckt. Hier geht es aber um die Abgrenzung des Herstellers zum Kunden / Betreiber. Die MD ist aber keine Betreiberverordnung: Wenn der Dreher seine langen Haare in die Drehmaschine nach Stand der Technik bringt, dann gehört ist der 'Affe' bei der Arbeitssicherheit und hat mit der MD nichts zu tun.
Wo es aber keine Produkt- oder Verhaltensnormen gibt, kommen (teilweise standardisierte) Risikoanalyse- und Risikobewertungsverfahren zur Anwendung. Um es kurz zu machen: An deren Ende steht eine Risiko-Nutzen-Analyse. An deren Ergebnis kann man dann als Nichtbeteiligter herumkritteln, damit hadern, oder sie halt akzeptieren, inklusive der Todesfälle. Das letztere ist bisher der gesellschaftliche Konsens. Selbstverständlich erfordert eine Risikobewertung eine ständige Überprüfung, beispielsweise wenn ursprüngliche Annahmen (Zahl der Unfälle) deutlich überschritten werden. Aber einfach mal so sein Gefühl in den Raum zu stellen und Äpfel mit Birnen zu vergleichen ist nicht der konsensfähige Umgang mit Sicherheitsfragen.
Ich sehe die Gefahr in der öffentlichen Diskussion eher darin, dass durch die öffentliche Diskussion die professionelle Risikobewertung zur Sicherheit der Marinesoldaten durch eine persönliche Risikobewertung der Politiker zum Bestand ihrer Karriere überschrieben wird. Man kann den Drill in der Ausbildung natürlich reduzieren, in der Hoffnung, dass der Ernstfall unwahrscheinlich ist. Sollte es doch zum Ernstfall kommen, dann ist das halt die Sintflut danach.
Gruß, Martin
PS: Nur als Hinweis: Für Sportboote gibt es ebenfalls eine EU-Richtlinie 2003/44/EG, deren Details aber nicht an die MD herankommen.
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