Zitat von Llarian [Das stimmt nicht, jedenfalls nicht was Produktionsanlagen betrifft (Verhaltensnormierung ist nicht meine Fach). Zum einen löst eine Norm erst einmal eine Vermutungswirkung aus, sie selbst ist nicht bindend. Ich kann zu jedem Zeitpunkt eine Gefährdungsanalyse nach Maschinenrichtlinie durchführen, die Norm brauche ich dafür nicht (aber sie erspart einem viel Arbeit). Die Richtlinie ist Gesetz, die Norm nicht. Zum zweiten hat der Nutzen in der Analyse nichts verloren, da wird auch kein Nutzen ermittelt. Es wird Gefahr ermittelt. Und dann wird Gefahr durch technische Maßnahmen minimiert. Entweder unterschreite ich an irgendeinem Punkt die geforderte Sicherheit, dann habe ich gewonnen, oder ich komme an die technische Grenze. Und dann ist Ende. Ich kann nichts auf den Markt bringen, was gefährlich ist und sei es noch so nützlich. Im Unterschied zum Nutzen ist nebenbei bemerkt, der Grad an Gefährdung halbwegs quantifizierbar. Da kann man sich Gedanken machen zu Fehlerraten, Fehlerfolgen und Wahrscheinlichkeiten machen. Ein Nutzen ist fast nicht zu packen, denn wie wollte man den Nutzen eines Computergehäuses quantifizieren ?
Lieber Llarian,
die Welt der Anlagenbauer ist vielleicht etwas eingeschränkt, und ihre Richtlinie mogelt sich um eine klare Aussage herum. Selbstverständlich tut sich der Gesetzgeber schwer, im Anlagenbau von einem Nutzen zu reden, anders als zum Beispiel im Medizingerätebereich, wo es etwas einfacher ist, von einem medizinischen Nutzen zu reden. Der Nutzen ist implizit, man geht davon aus, dass niemand eine nutzlose Maschine anschafft. Und selbstverständlöich sagt die Maschinienrichtlinie nicht, dass keine Unfälle passieren dürfen, sie gibt letztlich nur vor, Gefahren entweder zu beseitigen oder Risken zu minimieren. Die 'weichen' Punkte sind wie auch sonst 'foreseeable abnormal situations' (Gruß an die Auguren), 'conditions foreseen by the manufacturer' oder 'as far as possible', usw. Wie gesagt, wo sich die Gesetzgeber und im Schlepptau die ISO um die Nutzenfrage nicht herumgemogelt haben, ist die Risikoanalyse auch sauber und konsequent zu Ende geführt. Ich empfehle einen Blick in die ISO 14971, oder in die ISO 31000. Die letztere ist von den internationalen Gesetzgebern, außer Deutschland, stark unterstützt, und wird über den Weg der Global Harmonization Task Force ihren Weg in die Gesetze finden. Sie repräsentiert den internationalen Konsens (das gallische Dorf wird auch noch folgen).
Zitat Entweder unterschreite ich an irgendeinem Punkt die geforderte Sicherheit, dann habe ich gewonnen, oder ich komme an die technische Grenze. Und dann ist Ende. Ich kann nichts auf den Markt bringen, was gefährlich ist und sei es noch so nützlich.
Und eben so steht es nirgendwo im 'Gesetz'. Sie müssen nach vorgegebenen Schritten das Risiko minimieren, mit allen weichen Kriterien, die ich oben zitiert habe. Und wenn Sie das Risiko minimiert haben, wobei technischen Grenzen gesetzt sein können, dann gilt das Gerät nicht als 'gefährlich', sondern das Risiko kann tortzdem 'vertretbar' sein. Sie müssen den Benutzer auf die verbleibenden Restrisiken hinweisen.
Und da sind wir bei der Gorch Fock: Ich bin sicher, dass die Rekruten auf die Restrisiken hingewiesen waren. Ansonsten unterliegt die Gorch Fock natürlich nicht der Maschinenrichtlinie, und die militärischen Risikomanagementprozesse gab es auch schon deutlich länger als diese Richtlinie. Man sollte etwas zögerlicher sein, wenn man seine Anlagenwelt auf andere Geltungsbereiche überträgt.
Gruß, Martin
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