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Zettel
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29.01.2011 23:17 |
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RE: Ist der Spiegel überhaupt noch ein Nachrichtenmagazin?
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Zitat von Nepumuk Mich verwundert viel mehr, dass der Spiegel-Titel immer seltener etwas mit Nachrichten bzw. der Weltlage zu tun hat. Wieso bringt man in diesen Zeiten eine Titelgeschichte über die Frauenquote wo sich signifikante Änderungen in Ägypten abzeichen (in welche Richtung auch immer).
Es gibt dazu ein Banner im Fußteil des Titels. Offenbar konnte man sich in der Chefredaktion nicht entscheiden, welchem Thema man den Vorrang geben wollte.
Dazu aus dem "Schatz meiner Erfahrungen" mit dem "Spiegel" eine Erinnerung aus dem Herbst 1956:
Auch damals schon war Ägypten ein heißes Thema. Nasser hatte den Suezkanal verstaatlicht, ein Krieg gegen Israel hatte begonnen, die Briten und Franzosen hatten sich eingeschaltet und waren in Ägypten mit Truppen gelandet. Gleichzeitig fand in Ungarn der Aufstand gegen die Kommunisten statt.
Damals passierte es zum ersten (und ich glaube auch einzigen Mal), daß der "Spiegel" seine Titelgeschichte austauschte, während schon gedruckt wurde. Ein Teil der Auflage hatte einen ägyptischen General als Titelfigur; er hieß, wenn ich mich recht erinnere, Amin oder Amir. Der andere Teil hatte Imre Nagy.
Zitat von Nepumuk Wenn man den "Spiegel" nach seinen Titelgeschichten beurteilt ist er zu einem Life-Style-Ratgeber-Magazin mit Politikteil und gelegentlich historischen Themen verkommen.
Ja, die weichen Themen überwiegen; außer in Zeiten akuter Krisen.
Es war allerdings schon schlimmer gewesen, in den Jahren vor Stefan Aust. Dieser sagte - und ich nehme ihm das ab -, daß er bei der Wahl des Titels (traditionell beim "Spiegel" die Domäne der Chefredaktion) nie auf den Verkaufserfolg schielte, sondern sich für das entschied, was er für journalistisch wichtig hielt.
Mascolo und Müller von Blumencron scheinen das anders zu sehen; aber noch viel schlimmer war es in der Ära von Funk, Kaden, Kilz.
Zitat von Nepumuk Da lob ich mir doch den "Economist".
Ich mir auch. Obwohl ich nicht mit ihm sozialisiert worden bin, sondern als Schüler Time Magazine abonniert hatte und dann Jahrzehnte Newsweek. Dazu den Nouvel Observateur: Das gab eine gewisse Grundlage, um auch schon in der Zeit vor dem Internet a bisserl über den deutschen Tellerrand zu gucken. Den Economist habe ich erst sehr spät entdeckt; lange Zeit hielt ich ihn für ein britisches Wirtschaftsmagazin. 
Herzlich, Zettel
PS: Die Frage, ob der "Spiegel" überhaupt ein Nachrichtenmagazin ist, hat übrigens Hans Magnus Enzensberger schon 1957 aufgeworfen.
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