Zitat von lukasVieles, was die Türkei positiv von Ägypten unterscheidet, ist nicht auf die AKP zurückzuführen, aber einiges ist der einmaligen Synthese von politischem Islam mit liberalen Elementen zuzuschreiben, wie diese Partei sie vollzogen hat.
Ich habe das nicht genau verfolgt, aber wo sehen Sie die liberalen Elemente, lieber Lukas?
In der Lockerung des Kopftuchverbots? Überhaupt in der Tendenz, die von Kemal Pascha errichteten Mauern gegen den politischen Islam niederzureißen? Da werden zwar Restriktionen aufgehoben; aber doch solche, die den säkularen Staat geschützt haben.
Erdogan modernisiert, soweit ich das sehe, die Türkei wirtschaftlich; mit großem Erfolg. Darüber hinaus kann ich keine Liberalisierung sehen, sondern eher eine langsame, vorsichtige Islamisierung. Aber ich vermute, daß Sie sich besser auskennen; deshalb würde mich Ihre Antwort interessieren.
Ja, ich meine in erster Linie die wirtschaftliche Freiheit. Die AKP-Regierung hat unnütze Regeln abgeschafft, die Inflation unter Kontrolle gebracht, die Staatsverschuldung abgebaut und ausländische Investitionen erleichtert. Damit hat sie der Türkei ein zuvor nie gekanntes stabiles Wirtschaftswachstum beschert. Es ist eine breite Mittelschicht entstanden, und die Existenz einer solchen Mittelschicht scheint mir die beste Garatie für das Fortbestehen einer offenen Gesellschaft zu sein.
Auch bei den Bürgerrechten hat die AKP liberalisiert: Das betrifft Kräfte des politischen Islam, aber daneben unter anderem auch die Rechte der kurdischen Minderheit, deren Kultur und Sprache lange unterdrückt wurde. Auch unter den christlichen Armeniern und Griechen der Türkei gibt es Unterstützung für die AKP.
Der harte Kern der türkischen Millî-Görüş-Islamisten (mitsamt ihrem Anführer Necmettin Erbakan, über den Sie, meine ich, auch schon einmal geschrieben haben) ist in der Saadet Partisi (Partei der Glückseligkeit) organisiert.
Es ehrt mich, dass Sie meinen, ich kennte mich besser aus... Ich sehe die Dinge wohl nur aus einem anderen Blickwinkel, mit anderen Akzenten.
Zitat von Zettel
Zitat von lukasWelche plausible, bessere Alternative sehen Sie für Ägypten?
Sie fragen zwar R.A., aber erlauben Sie auch mir eine Antwort: Natürlich in einer säkularen parlamentarischen Demokratie.
Das wäre die bessere Alternative. Ob sie realisierbar ist, das ist eine andere Frage. Daß eine Herrschaft der MB allerdings einer Liberalisierung des jetzigen Regimes, zu der Mubarak ja offenbar bereit ist, vorzuziehen wäre, kann ich nicht sehen.
Möglicherweise ist es zu spät.
Ja, ich fürchte, dafür ist es zu spät. Falls Mubarak doch an der Macht bleiben sollte, wird er sich hüten, noch irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Zugeständnisse kann ein Despot nur machen, wenn er fest im Sattel sitzt. Wenn er von der Straße dazu gezwungen wird, ist es ein Zeichen der Schwäche.
Eine säkulare parlamentarische Demokratie wäre wünschenswert, aber für sehr wahrscheinlich halte ich das nicht. Wenn es in Tunesien funktioniert, könnte das Modell in Ägypten eine Chance haben. Aber es scheint mir, als ob Ägypten dazu zu fromm ist. Außer vielleicht den Christen will dort kaum jemand einen säkularen Staat: Selbst das NDP-Regime verstand sich ja (seit der Verfassungsänderung 1980) als islamische Regierung, deren Gesetze in der Scharia begründet sein sollten, und die saudischen Imame, die ungehindert im Land wirken, tun dazu den Rest.
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