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RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss
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Zitat von Martin Ein bisschen Philosophisches und auch Spöttisches: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/akt..._1.9636428.html
Vielleicht sollte der Fall Gutenberg nicht nur dazu genutzt werden, den Qualitätsanspruch wissenschaftlicher Arbeiten zu hinterfragen, sondern auch den Sinn und Zweck von Originalität: Den Stand der in der unendlichen Weite des Internets und der Bibliotheken liegenden Technik in eigenen Worten wiedergegeben hat etwas von rückständigem Ritual. Vielleicht sollte für Dissertationen eine Behauptung (claim) zur Pflicht werden, in der die Originalität und der wissenschaftlichen Beitrag erklärt wird (etwas anders als die Zusammenfassung), und die Prüfung und der wissenschaftliche Grad beschränkt sich auf die Bewertung und Erfüllung dieser Behauptung.
Gruß, Martin
Hallo Martin, hier auch eine "gute" Arbeit, die höchste Ansprüche erfüllt:
Doktorarbeit von Wolpertinger Puzzler
Fach: Zamonistik
Thema: Philophysikalische Phänomene und ihre Auswirkungen auf den Kontinent Zamonien
Zitat
http://puzzler.texttheater.de/doktorarbeit.htm
(...)
(...)1.3 Warum Philophysikalische Phänomene?
Durch diese Themenwahl ist meine Arbeit natürlich mindestens genau so eng mit der Eydeetischen Philophysik verknüpft wie mit der Zamonistik - ich musste mich halt für ein Fachgebiet von beiden entscheiden. Zamonistik kapiere ich grundsätzlich. Eydeetische Philophysik kapiere ich nicht, aber das ist auch kein Fach zum Kapieren, sondern eine Waffe oder zumindest eine Art von Gesellschaftsspiel. Sehen wir es doch einmal realistisch: Da gibt es das Volk der Eydeeten, deren Gehirne nachgewiesenermaßen leistungsfähiger, besser verdrahtet, anfälliger für Intelligenzbazillen und überhaupt mehr sind als bei anderen Daseinsformen. Sie nehmen Wissen auf wie ein Schwamm, während andere tagelang über Büchern brüten; sie kapieren schneller und kommen in Sekundenbruchteilen auf Lösungen zu physikalischen und philosophischen Fragestellungen, zu denen andere nach jahrelanger Meditation gelangen. So weit klar: Die Eydeeten sind einfach die besseren Denker. Dieser Ruf reicht ihnen aber noch nicht: Sie kreieren ein neues Fachgebiet, die Eydeetische Philophysik, das sie nicht nur schneller und besser, sondern überhaupt als einzige verstehen können. Man sagte mir, für Eydeetische Philophysik bräuchte es schon mehr als ein Gehirn, und ich solle die Finger davon lassen. Aber ich sage: Wer will jetzt noch kontrollieren, ob dieses Fachgebiet, deren eifrigsten Vorreiter einer ein gewisser Prof. Dr. Abdul Nachtigaller ist, wirklich einen mutigen Schritt in Richtung der fundamentalen Wahrheit und der Entschlüsselung der Rätsel des Kosmos darstellt oder schlicht einen dummen Streich, den die Eydeeten ausgeheckt haben, um mal einfach nur vergeistigt klingenden Schwachsinn zu labern und Außenstehenden das Gefühl zu geben, aufgrund mangelnder Gehirneffizienz den Sinn der Philophysik nicht verstehen zu können, der aber in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist? Schon Hildegunst von Mythenmetz hat eine ähnliche Technik erfolgreich angewandt: Er schrieb ein 400seitiges episches Gedicht, das so in etwa aus wahllos aneinandergereihten Wörtern bestand, und hielt ganze Heerscharen von Kritikern und Literaturexperten ein Jahr lang damit in Atem, an der meisterhaften Lyrik des Dichters herumzuanalysieren, zu deuten und zu deuteln, bis sie zu dem Schluss kamen, es mit einer ganz neuen Dimension der Literatur zu tun zu haben, der kein sterbliches Wesen auf Erden gewachsen sei. Erst als diese Ansicht publik wurde, gestand Mythenmetz der entsetzten Fachwelt, dass sie es mit gebündeltem verkappten Schwachsinn zu tun hatte.(...)
1.4 Abschweifiges
(...)Noch ein Hinweis: Ich sehe Hildegunst von Mythenmetz und sein Werk durchaus nicht verklärt, aber doch mit einer gewissen Begeisterung. Mythenmetz hat nicht nur einen tiefen Eindruck, sondern auch ein großartiges Werk hinterlassen und den zamonischen Dichtern und Denkern damit viele, vor ihm unerhörte Mittel in die Hand gegeben, wie zum Beispiel die Mythenmetzsche Abschweifung.(...)
(...)3.3 Das beste Mittel wider den gesunden Menschenverstand
(...) Ich habe solche kreativen Depressionen mit vernunftbetonten Anwandlungen öfter, dann hilft eine ordentliche Portion rotierender Schwärze immer, mich wieder komplett durchdrehen zu lassen. Ich laufe danach ein paar Runden unter manischem Gelächter im Zimmer umher, setze mich anschließend an den Schreibtisch und fülle ein Stück Pergament mit dreizehneinhalb sinnlosen Geboten. Hier, diese habe ich zum Beispiel gerade niedergeschrieben:
1. Ehre den Kaviar!
2. Du sollst nicht an Pinguine denken!
3. Du sollst deinen Namen nicht schreiben, schreibst du ihn doch, so musst du ihn zum Ausgleich fünfmal rückwärts schreiben!
4. Legst du dich in deinem Bette zur Ruhe, so sollst du mit dem Kopf gen Nord-Nordwest liegen.
5. Ferner sollst du im Schlafe nicht Kanu fahren!
6. Du sollst nicht die Wurzel aus 972 ziehen!
7. Du sollst nicht auf Nebel hoffen!
8. Du sollst finkeln!
9. Du sollst täglich deine Augen zählen, denn im Haus ist es wärmer als mit Briefkopf!
10. Du sollst deinen Nächsten nicht auf sein Geonym ansprechen!
11. Du sollst niemals unreine Früchte essen, sei auf der Hut vor Ameisen und bewahre die Phagocytose!
12. Du sollst insbesondere die zwölfte Regel befolgen!
13. Du sollst mindestens einmal im Leben die Pilgerfahrt nach Valentinsbourgh unternehmen und dort mit einem örtlichen Nahverkehrsmittel sechs Haltestellen weit fahren, auf dass deine Seele gereinigt und bestärkt werde vor dem Antlitz der Welt!
13 ½. Du sollst nach der Stadt mit dem Namen (unleserlich) gehen, und wenn du sie gefunden hast, sollst du sie (unleserlich) und (unleserlich) machen für immerdar!
Anschließend wird das Pergament zusammengerollt und in eine der zahllosen leeren Multivitaminsaftflaschen gesteckt, die bei mir herumstehen. Sodann tritt die Flasche die Reise durch die Tornadowand an, und mein geistiges Ungleichgewicht ist wiederhergestellt. Dann kann ich mit Feuereifer zurück an die Arbeit.(...)
(...)6. Schlusswort
(...)Angesichts der Tatsache, dass Zamonien und alles was dort geschieht nur Ergebnis schriftstellerischer Willkür ist, fragt sich, ob es überhaupt sinnvoll war, philophysikalisch-zamonistische Zusammenhänge aufzudröseln und ungeklärte Fragen mit neuen Trugschlüssen zu beantworten. Aber letztlich geht es mir ja auch nicht um die Klärung wissenschaftlicher Zusammenhänge und das Gefügigmachen naturwissenschaftlicher Gedankengänge, sondern um einen affigen Doktorhut, eine idiotische Urkunde und ein T-Shirt, das aufgrund seiner aufgedruckten Logos, Slogans und Internetadressen noch nicht einmal gesellschaftsfähig ist.(...)
♥lich Nola
"In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist als der, der ihn gemacht hat." - Carl von Ossietzky
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