Zitat Ich verstehe diese Schuldzuweisung an die Uni wirklich nicht. Sie ist die Betrogene. Es ist doch nicht sie, die betrogen hat.
Zum Betrügen gehören zwei: Der eine, der aktiv Handelnde betrügt, der andere lässt sich betrügen, und dieser muss sich wenigstens fragen lassen, warum er sich hat betrügen lassen. Hatte er keine Chance, weil der Betrüger so raffiniert war, oder gab es Umstände, die dem Betrüger die Sache leicht(er) gemacht haben?
Das System ist doch anfällig. Was ich selbst erlebt habe während meiner Zeit an der Uni, immerhin ein paar Jahre:
a) Der eine Fall: Ein Kandidat ist nach Ausweis des ersten Examens nicht wirklich für eine Dissertation geeignet, hat aus persönlich-biographischen Gründen Beziehungen zu Dialektsprechern in deutschen Sprachinseln in Südosteuropa (die gerade im Untergehen begriffen sind). Der Doktorvater hat aus wissenschaftlichen Gründen ein hohes Interesse daran, diese Sprachinseln zu untersuchen, ehe sie ganz verschwunden sind. Er nimmt also aus Gründen des Themas, das so kein anderer bearbeiten kann, einen Doktoranden an, der eigentlich fürs wissenschaftliche Arbeiten in diesem Bereich nicht die notwendigen Voraussetzungen mitbringt. - Die Arbeit wird eingereicht und wegen eklatanter Mängel zunächst zur Überarbeitung zurückgegeben, d.h. zunächst nicht angenommen. Nach Ablauf der Jahresfrist wird die Arbeit erneut eingereicht. Die Arbeit weist noch immer Mängel auf, aber: "Jetzt hat er doch noch ein Jahr mehr darauf verwendet; sie nochmal abzulehnen, das können wir nicht machen; auch wenn die Arbeit MÄngel hat, besser sie wird so publiziert als gar nicht ..." Und dann: "Also nur "rite", das macht sich doch im Lebenslauf ganz schlecht; ...". - Wenn ich mir das so anschaue mit solchen "taktischen" und wissenschaftsfremden Überlegungen bei einer Diss am anderen Rand der Skala - dann halte ich solche "taktischen" Überlegungen auch anderer Stelle für möglich.
b) Die Zweitkorrektur bzw. das Zweitgutachten: Nicht nur einmal habe ich erlebt, dass Zweitgutachter aufgrund anderer Arbeitsbelastung ihre Frist bis zum Letzten ausgereizt haben, dann hektisch zwei Tage vor Ablauf der Frist in einer Tag-und-Nacht-Aktion eine ganze Dissertation - nicht korrigiert, eher - überflogen haben und dann mehr oder weniger das Gutachten des Erstgutachters abgesegnet haben. Da verlässt sich der Zweitgutachter mehr als einmal auf den Betreuer und Erstgutachter, und sein Gutachten ist eher eine Formalie denn ein wirkliches Gutachten. Oder die Fälle, in denen sich der Zweitgutachter schon telefonisch oder persönlich vom Erstgutachter über Stärken und Schwächen einer Arbeit informieren lässt. Oder wo der Zweitgutachter zu dem Thema uach nur teilweise kompetent ist und nach dem Motto handelt: Ich verlass mich hier auf den Erstgutachter, der wird das schon wissen, und beim nächsten Mal ist es dann umgekehrt.
Wohlgemerkt: Es ist nicht immer so; natürlich halten sich viele an den Kodex des wissenschaftlichen Arbeitens und Begutachtens. Es ist oft auch nicht böser Wille, sondern mangelnde Zeit.
Aber ich kann mir schon vorstellen, wie die Arbeit eines Bundestagsabgeordneten durchgewunken wird und - sagen wir - dem, der sich wie ein Betrüger verhält, dies sehr leicht gemacht wird.
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