Zitat von Erling Plaethe Lieber Zettel, das Problem liegt m.E. in dem Anspruch des Staates resozialisieren zu können und zu dürfen. Der Staat als Erzieher. Die Bürger, Schutzbefohlene. Es ist die Verschränkung des Sozialstaatsprinzps mit dem des Rechtsstaats die dazu führen kann, dass Bürger den Schutz vor körperlicher Unversehrtheit, den sie durch den Staat gewährleistet sehen wollen, nicht erhalten, weil eine lebenslange, im Sinne des Wortes, Freiheitsstrafe, nicht durch die Justiz, sondern durch Psychologen entschieden wird. Eine Wissenschaft zumal, die sich dem Falsifizierungsprinzip entzieht. Strafe ist im weitesten Sinne auch Rache, es gibt den Opfern Genugtuung und soll sie vor Wiederholung schützen. Dafür stattet der Bürger den Staat mit dem Gewaltmonopol aus. Die Strafe soll den Täter nicht zu einem besseren Menschen machen, sondern ihn durch Abschreckung von einer Wiederholung abhalten. Menschen die ihren Trieb zu einem schwersten Verbrechen nicht kontrollieren können, und dieser Beweis ist bei einer Wiederholung erbracht, müssen für immer auf ihre Freiheit verzichten. M.E. wäre das fair.
So sehr ich Ihre liberalen Überzeugungen teile, lieber Erling Plaethe - in diesem Bereich stimme ich Ihnen nur teilweise zu.
Ich bin wie Sie der Meinung, daß der Staat kein Recht hat, seine Bürger zu erziehen, und daß auch der primäre Zweck einer Strafe nicht die Erziehung sein kann. Ich sehe auch die Gefahr, daß die Psychologen an die Stelle der Richter treten könnten. Überhaupt kann und darf man die Strafe nicht von der Schuld ablösen. Sie muß in ihrer Schwere der Schwere der Schuld korrespondieren und nicht dem Aufwand, den es braucht, um einen Erziehungszweck zu erreichen.
Ginge es nur um Resozialisation, dann brauchte man NS-Täter und ihre Zwillinge im Sozialismus überhaupt nicht zu bestrafen, denn sie werden in einem demokratischen Rechtsstaat derartige Taten gar nicht wieder begehen können. Aber es gibt eben auch - und vorrangig - den Gesichtspunkt der Sühne, der Genugtuung für die Opfer.
Soweit also gehen wir konform. Dann schreiben Sie aber: Zitat Die Strafe soll den Täter nicht zu einem besseren Menschen machen, sondern ihn durch Abschreckung von einer Wiederholung abhalten. Menschen die ihren Trieb zu einem schwersten Verbrechen nicht kontrollieren können, und dieser Beweis ist bei einer Wiederholung erbracht, müssen für immer auf ihre Freiheit verzichten. M.E. wäre das fair.
Hierzu möchte ich zwei Anmerkungen machen:
- Je mehr Genetik und Hirnforschung voranschreiten, umso deutlicher wird, daß schwerkriminelles Verhalten sehr oft eine organische Grundlage hat. Es finden sich bei den Tätern Auffälligkeiten im Gehirn (beispielsweise abweichende Muster im fMRI-Scan) und manchmal auch genetisch. Dafür kann niemand etwas; so wenig, wie für eine verkorkste Kindheit. Fair erscheint es mir deshalb nicht, jemanden über die verhängte Strafe hinaus zu inhaftieren. Die Sühne ist ja mit dieser bereits geleistet.
- Wichtiger ist aus meiner Sicht der zweite Punkt: Resozialisierung liegt im Interesse der Gesellschaft selbst. Jemanden wirklich bis zu seinem Lebensende gefangen zu halten ist nicht nur eine extreme Strafe, sondern auch sehr teuer. Man kann übrigens an der Kriminalitätsrate in den USA sehen, wie teuer der weitgehende Verzicht auf Resozialisationsmaßnahmen (Rösch erwähnt das) die Gesellschaft zu stehen kommt: Wenn man nur einsperrt und die Leute ansonsten sich selbst überläßt, dann werden die Haftanstalten zu Brutstätten der Kriminalität. Man hätte dann im Grunde nur noch die Wahl, alle lebenslänglich einzusperren, was zum einen rechtsstaatlich nicht geht, zum anderen Unsummen kosten würde.
Auf Resozialisation und ggf. Therapie kann die Gesellschaft aus ihrem eigenen Interesse nicht verzichten; aber dies darf aus meiner Sicht - da sind wir uns einig - nie der primäre Zweck der Strafe sein. Strafe dient primär der Sühne und dem Schutz der Gesellschaft, auch in Gestalt der Generalprävention.
Herzlich, Zettel
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