Bhutan ist sicher ein extremes Beispiel. Die Frage, ob Entwicklung wirklich mit BIP/Einwohner korrekt gemessen wird, steht zumindest in Chile nun endgültig auf der Agenda. Und ob Verteilung nicht doch eine prominentere Rolle spielt, als dies von allen Amtsträgern der letzten bald 40 Jahre hier geglaubt wurd. Die Arbeitslosenzahlen sinken nun seit 18 Monaten, das BIP steigt trotz Erdbeben um 6% bis 7% und trotzdem manifestiert sich eine große Unzufriedenheit mit dem neoliberalen Modell, das 10% inzwischen ein Leben wie in Norwegen ermöglicht ... und 50% ein Leben wie in Afrika. War die auf dem Papier links-liberale Concertación noch sehr gut in der Lage, das Hoffen auf Morgen zu erhalten, scheint dies nun endgültig beendet. Regierung hat nach den letzten Umfragen nur noch eine Zustimmung von 34%, die oppositionelle und lange Jahre das pinochetistische Wirtschaftsmodell eben perfektionierende Concertación 31%. Massive Protestmärsche können in Santiago alleine 150.000 Marschierende mobilisieren. Die Mittelschicht hat einfach keine Lust mehr von über-ermächtigten Unternehmern in groteske und unterregulierte Konsumenten-Kredite getrieben zu werden, ein in vielen Aspekten eben schlechtes Bildungs- und Gesundheitssystem aus eigener Tasche zu finanzieren. Gestern ein langes Interview mit dem neuen Wirtschaftsminister und selbsterklärten Freimarkt-Populisten Pablo Longueira liess mich mit offenen Mund stehend vorm Fernseher vereisen (http://www.chilevision.cl/home/content/blogcategory/864/201/ , die ersten beiden Filme). Unter anderem erklärte mir der Mann, dass ja in Europa der Sozialstaat zu einer so großen Gleichheit führte, weil Europa ja mal Kolonien besass und die USA eben Mexiko. In Chile sind laut Herrn Longueira die Kolonien quasi innen. Welch ein gewaltiger Unsinn von einem intelligenten Politiker. Longueira sagt, dass man auf die Forderungen der Straße sehr ernsthaft eingehen muss, damit sich nicht irgendwann ein Links-Populist erhebt.
Ein Politik-Modell, das einseitig auf Wirtschaftswachstum und Stabilität setzt, wird irgendwann an die Grenze stossen, an der der perzepierte Grenznutzen an linken, kollektiven Politzielen wie ein Mindestmass an Verteilungsgerechtigkeit immens zunimmt. Ich hätte es mir vor 4 Jahren nicht vorstellen könnnen. Es ist aber so und es ist auch gut so. Bestimmt ist Chile auch ein Extrem-Beispiel. In welchem anderen Land enthalten Einrichtungs/Mode Zeitschriften für die reifere Frau, die ich beim Friseur lese, Artikel wie "Dies ist das sozial ungerechteste Land der Welt"?
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