Zitat von FlorianDie einzige Alternative wäre ein militärischer Schritt gewesen. Etwa ein Durchbruch durch die Mauer mit Panzern. Was darauf die russische Reaktion gewesen wäre, war nicht kalkulierbar. Ein 3.Weltkrieg incl. Nuklerwaffen wäre zumindest möglich gewesen. Dass Kennedy dies nicht riskieren wollte, ist mir zumindest einleuchtend.
Sehen wir, lieber Florian, einmal die Sache aus russischer Perspektive:
Auch den Russen war natürlich klar, daß der Bau der Mauer nicht mit dem Viermächtestatus der Stadt vereinbar war. Die DDR hatte in Ostberlin, anders als im sonstigen Mitteldeutschland, ja gar keine Souveränitätsrechte. Das wollte Chrutschtschow mit seinem Berlin-Ultimatum ändern. Das Ziel war die Beendigung des Viermächtestatus, die Eingliederung Ostberlins in die DDR und eine Freie Stadt Westberlin, die logischerweise völlig von der UdSSR und der DDR abhängig gewesen wäre. Hätte sich der Westen darauf eingelassen, dann hätte man der DDR auch den Bau einer Mauer nicht verwehren können.
Nun erreichte Chruschtschow das aber nicht und stand damit vor der Frage, ob er einen nuklearen Weltkrieg risikieren sollte, indem er die USA brüskierte und die Mauer bauen ließ. Er entschied sich dafür, den Krieg zu riskieren, weil er das Risiko als gering ansah. Er sah es als gering an, weil er aufgrund einer Einschätzung des Charakters von Kennedy erwartete, daß die USA diesem Rechtsbruch keinen Widerstand entgegensetzen würden. Mit seinen drei Essentials, zu denen eben nicht die Aufrechterhaltung des Viermächtestatus gehörte, lud Kennedy Chruschtschow geradzu zum Mauerbau ein.
Entscheidend war nicht das Verhalten Kennedys nach dem Mauerbau, sondern sein Verhalten davor. Hätte er der UdSSR glaubhaft vermittelt, daß die USA eine Verletzung des Viermächtestatus der Stadt nicht dulden würden, dann wäre die Mauer nicht gebaut worden.
So, wie auch Chruschtschow es nicht gewagt hätte, Raketen auf Cuba zu stationieren, wenn er nach seinen Erfahrungen mit Kennedy nicht davon ausgegangen wäre, daß dieser keinen Krieg riskieren, die Raketen also hinnehmen würde. Daß es in diesem Fall glimpflich ausging und Chruschtschow im letzten Augenblick zurückzuckte, dürfte weniger an der amerikanischen Blockade gelegen haben als an der Mobilisierung von US-Streitkräften für eine Invasion Cubas. Die Sowjets konnten nicht sicher sein, daß sich die Falken im erweiterten Nationalen Sicherheitsrat nicht doch würden durchsetzen können. Jetzt war es Chruschtschow, dem das Risiko zu groß war.
Es ist im Grunde die alte Weisheit si vis pax para bellum; wenn du den Frieden willst, dann bereite dich auf einen Krieg vor. Diktatoren werden dreister, wenn sie Schwäche auf der anderen Seite wahrnehmen. Tritt man ihnen dann doch irgendwann entgegen, dann ist der Krieg da, den man hätte vermeiden können, wenn man von vornherein Festigkeit gezeigt hätte. Siehe München und den daraus resultierenden deutsch-sowjetischen Überfall auf Polen.
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