Zitat von Zettel Wenn - wie es vernünftig ist - Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden und die Beteiligten Profis sind, dann wird niemand so naiv sein, nach dem Abschluß dem anderen zu sagen: "Aber Herr X, sie hatten doch anfangs gesagt, sie würden im Punkt ABC niemals nachgeben - und dann haben Sie es doch getan! Sie sind ein Lügner!"
Nicht wahr, das wäre albern.
Nun ist es aber in der Politik so, daß ein Teil der Verhandlungen coram publico stattfinden. Und da muß eine Kanzlerin, die erfolgreich verhandelt, indem sie zuvor bezogene Positionen (etwa beim Hebel) aufgibt, sich sagen lassen, daß sie Informationen zurückgehalten, daß sie Positionen geräumt hat usw. Also das, was Steinmeier gestern der Kanzlerin vorgeworfen und wozu sie leise gelächlt hat.
Ja, klar, sie hat Positionen geräumt. Sie hat eben verhandelt.
Lieber Zettel,
ich glaube man sollte in dieser Verhandlungssituation auch sehen, dass manche Positionen bewusst an die Öffentlichkeit getragen werden, nicht um eigene Überzeugungen zu verkünden und diese zu zementieren, sondern um die Öffentlichkeit für die eigene Position zu mobilisieren. Verhandlungstaktisch sind die Medien und die Öffentlichkeit allgemein die Kanonen, die in Stellung gebracht werden. Wir hatten hier (glaube ich mich zu erinnern) vor kurzem irgendwo die Frage gestellt, ob die griechischen Proteste gegen die Regierung nicht den Regierenden willkommen sind. Ohne Proteste und Feuer auf den Straßen wäre die Verhandlungsposition der Regierung gegenüber der Troika deutlich schwächer.
In dieser Sitaution macht die Diskussion über Lüge oder nicht absolut keinen Sinn. Das Dumme ist, eine Regierung kann den obigen Mechanismus nicht artikulieren, weil er genau in diesem Moment an Wirkung verlöre. Verhandlungen von Repräsentanten einer Demokratie laufen anders ab als solche in Unternehmen.
In und mit dieser meiner Einsicht mache ich Frau Merkel keinen Vorwurf. Die Opposition scheint ja auch erkannt zu haben, dass es für sie keinen Sinn macht, die deutsche Verhandlungsposition zu schwächen indem sie ihre 'Kanonen' im Land gegen die Regierung in Stellung bringt.
Nichtsdestotrotz bleiben für mich zwei wesentliche Kritikpunkte:
1. Auch ich kann Frau Merkel nichts abgewinnen, wenn sie im weitesten Sinne Krieg und Frieden ins Spiel bringt (es sei denn Herr Sarkozy hätte ihr damit gedroht). Ich hätte es eher akzeptiert, wenn sie die Nutzen / Risiko Abwägung zwischen den Positionen die zur Debatte standen transparent gemacht hätte, z.B. eine Bewertung der Position eines Herrn Schäffler.
2. Ich verstehe leider noch nicht worüber die Welt jubelt; Wie es zum Beispiel passieren soll, dass privatwirtschaflich organisierte Banken freiwillig auf Forderungen verzichten sollen (m.W. sind dazu bisher dort keine Eigentümer befragt worden), vor allem, da diese ja bisher Geld in ihre Versicherungen gegen Kreditausfälle investiert haben, die ja nun gar nicht mehr greifen sollen: Mein Eindruck ist, dass das einzig wirkliche Verhandlungsergebnis das mit der BIZ ist: Keinen Credit Default festzustellen, wenn der Verzicht 'freiwillig' ist. Diesen Zustand scheint man zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Vielleicht verständlich, wenn man das Sezierergebnis der Bilanz einer Deutschen Bank liest: http://www.querschuesse.de/leistung-aus-leidenschaft/ Bei über 60 Billionen Euro Derivaten kann bei Ausfall eines Counterparts unter dem Strich eventuell mehr bleiben als Deutschland je stemmen könnte. Wie wahrscheinlich, das ist ist schwer zu beurteilen, da über die Wirksamkeit der nach Lehman eingerichteten Clearingstelle (mir) nicht viel bekannt ist.
Für Griechenland jedenfalls ist der Verzicht der Banken kein neuer Anfang. Andere Gläubiger wie IWF und EZB werden nicht verzichten, griechische Banken können wohl gar nicht: Die Entlastung dürfte also unter 20% der Schulden bleiben http://blog.markusgaertner.com/2011/10/2...cht-die-halfte/.
Gruß, Martin
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