Zitat von Zettel Wie kann man glauben, der Islam sei unveränderbar? Ich verstehe, wenn Dschihadisten das glauben. Daß es jemand im aufgeklärten Westen glaubt, das kann ich lieber Techniknörgler, nicht nachvollziehen.
Nichts wäre absurder,als anzunehmen, dass sich der Islam nicht verändert, da wir Zeitzeugen der islamischen Reformation sind. Nur fällt diese Reformation nicht so aus wie wir uns erhoffen, der Islam ist mit Qutb in der Modernen angekommen, bei den Schiiten war es Ali Shariati. Die islamische Revolution in Iran war ein Ausdruck dieser Reformation, Erdogan dürfte derzeit der bekannteste Vertreter sein. Die Geschwindigkeit ist atemberaubend, mit der sich der reformierte Islam etabliert.
Er hat viele Facetten, aber eins ist ihnen gemeinsam, es ist der politische Islam, der sich nicht mit Glaubensverkündung begnügt, sondern partizipieren und wenn möglich dominieren will. Es ist die Frage, wieviel mehr Reformation will man noch? Soll sich der Islam wieder entpolitisiseren, wo er sich gerade als Erfolgsmodell erweist? Die Entwicklung seit dem "Ausbruch des arabischen Frühlings" ist mehr als sich Bin laden in seinen kühnsten Träumen ausgemalt haben kann. Ein säkulares Regime nach dem anderen fällt. Jörg Lau spricht von repressiver Säkularisierung, allerdings weiß niemand was danach kommt und welche Auswirkungen es auf den Islam hat, nur eins ist sicher, er wird so schnell nicht unpolitisch werden, es sei denn man kehrt zur Repression zurück.
Wir können noch so sehr differenzieren, zur Zeit ist es en vogue die augenscheinlichsten Abweichungen von unseren Wunschvorstellung als Salafis oder Dschihadisten zu bezeichnen, um nicht den undifferenzierten Begriff Islamismus zu gebrauchen. "Islamismus" wird die nächsten Jahre völlig verschwinden, auch und weil der reformierte Islam das sein wird, was wir vor zehn Jahren als Islamismus angesehen haben. Natürlich stimmt die häufig angemerkte Beobachtung, in der der deutschen Zuwanderungsgesellschaft ist diese Reformation nur in Ansätzen erkennbar, allerdings sind die offiziellen Verbände und ihre Vertreter Bestandteil dieser Reformationsbewegung. Ich klammere allerdings dabei die Aleviten aus, die oft auch instrumentalisiert werden um von der Reformation abzulenken.
Leider verlaufen die Diskussionen über das Phänomen der islamischen Reformation deshalb unfruchtbar, weil Muslime, Islam als Theologie und Islam als Ideologie wild durcheinandergeworfen werden, Menschen nur wegen ihres Namens oder ihrer Herkunft pauschal als Muslime bezeichnet werden, obwohl sie nichts mit Religion am Hut haben. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit uns als Agnostiker oder Atheisten zu bezeichnen, aus Kirchen auszutreten oder zu konvertieren, für Muslime kann das offene Bekenntnis zur Apostasie oder die Konvertierung lebensbedrohend sein, auch in Deutschland. Glaube ist nicht etwas, was einem in die Wiege gelegt wird, wie es der Islam behauptet oder mit der Taufe beginnt, wie es die Christen behaupten, sondern ist ein aktives persönliches Bekenntnis, nicht mehr und nicht weniger. Wenn es darüber hinausgeht, wird es gefährlich.
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