Zitat von Florian
Nur einen fundamentalen Punkt sehe ich anders:
Zitat Die Interessen und -konflikte, die es früher in Europa gab, sind ja nicht wegen der EWG/EG verschwunden, sondern diese konnte erfolgreich sein, weil die Interessen der maßgeblichen Staaten so lange gleichliefen. Nach 1989 ist das weggefallen und es kam noch die starke Erweiterung hinzu.
Oh, doch. Die EU hat durchaus dazu geführt, dass die europäischen Nationalstaaten gleichlaufende Interessen haben.
Es gibt heutzutage durch die EU eine geschichtlich beispiellose Verflechtung der europäischen Staaten in allen möglichen Bereichen. Es ist daher im großen gegenseitigen Interesse, dass es den anderen europäischen Staaten ebenfalls gut geht.
Okay, ich meinte allerdings eher politische Interessen, wie zB. die Aufteilung und Schwäche Deutschlands, an der alle Staaten ein Interesse hatten. Der Zerfall Jugoslawiens ist in F und UK auch nicht auf helle Begeisterung gestoßen. Die alte Furcht der kleinen und mittleren ost- und ostmitteleuropäischen Staaten vor der UdSSR/RussFöderation ist wieder da. Da ist schon einiges passiert und wir sind erst am Anfang der Entwicklung. Die geostragische Lage der einzelnen Länder und die sich daraus ergebenden Konsequenzen werden durch die EU auch nicht verändert.
Im übrigen: Ist die Verflechtung wirklich so beispiellos? Ich habe da meine Zweifel, denn - gemessen an der jeweiligen Bevölkerungszahl und der Wirtschaftskraft - gab es früher auch schon eine erhebliche Verflechtung. Ich denke da gerade an die Hanse, die europäische Bedeutung des Seehandels von Venedig und Genua. Auch die "EU-Freizügigkeit für Dienstleister und Arbeitnehmer gab es in gewisser Weise schon, zB die zahllosen italienischen Musiker und Komponisten in ganz Europa. Die Orden hatten Niederlassungen in ganz Europa. Der Adel ganz Europas war versippt und verschwägert. Söldner dienten ebenfalls je nach Bezahlung in allen europäischen Armeen, und es war nicht ungewöhnlich, daß ein Offizier nacheinander verschiedenen Fürsten diente. Da ließen sich wohl noch mehr Beispiele finden.
Und zweitens mußte man prüfen, wie weit die wirtschaftliche Verflechtung ohne die EWG/EG/EU inzwischen fortgeschritten wäre. Sicher hat die EWG da viel geleistet, ohne Frage, aber sie hat eben auch eine Menge zusätzlicher Bürokratie mit sich gebracht. Ob der Handel im 18. und 19.Jahrhundert, oder in der Renaissance nicht genauso blühend gewesen ist?
Zitat von Florian
Gegenüber den grundsätzlich gleichlaufenden Interessen sind die möglichen Konfliktlinien sehr unbedeutend.
Die Konflikte im auseinanderfallenden Jugoslawien haben gerade gezeigt, daß es auch in Europa noch zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen kann. Der Zypernkonflikt ist auch ungelöst, Moldawien auch. Ich kann es auch nicht glauben, daß wir wieder durch die Ardennen marschieren, wenn die Franzosen nicht auf die Kernkraft verzichten. Aber Konflikte können ja auch in anderer Form ablaufen. Wenn das finanzpolitische Desaster erst richtig offenbar wird und sich auf die Bevölkerung auszuwirken beginnt, dann könnten die Unruhen in Griechenland nur ein leiser Vorgeschmack sein. Oder wenn in Europa mal wegen der deutschen Energiepolitik großflächig der Strom ausfällt? Da werden nicht gleich die französischen oder polnischen Panzerdivisionen rollen, aber es gibt auch subtilere Mittel.
Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.
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