Lieber Isildur,
lassen Sie mich noch einmal etwas zu Ron Paul anmerken, das ich ähnlich schon früher geschrieben habe; jetzt aber a bisserl ausführlicher. Sie schreiben: Zitat von isildur Ja man mag seine Außenpolitik als naiv ansehen, aber mir ist lieber jemand zieht sich aufgrund eines klaren isolationistischen Prinzips zurück und erhält die Wirtschaftsmacht und den Wohlstand seines Landes, als dass das ganze Land irgendwann in einer Inflationsblase implodiert. So denke ich, dass selbst für uns ein Präsident Ron Paul das beste wäre, was uns passieren könnten, für die Amerikaner gilt das in jedem Fall(aus meiner Sicht).
Die Weltordnung seit 1945 basiert auf der Stärke der USA - ihrer militärischen und damit außenpolitischen Stärke.
Es gab drei Phasen: In den Nachkriegsjahren ging es um die Eindämmung der kommunistischen Expanison. Diese Phase endete mit dem Fall Saigons am 30. April 1975. Es gab dann eine Zwischenphase, in der das Sowjetreich an seinen inneren Problemen zugrundeging und in der China zum global player aufstieg. Jetzt sind wir in eine Phase eingetreten, in der die Macht neu verteilt wird: China beansprucht den Status einer Weltmacht, die USA versuchen ihn zu verteidigen, Indien versucht aufzuholen und Europa ist mit sich selbst beschäftigt.
Ein Blick auf die erste Phase:
Aus der Sicht Stalins und seiner Nachfolger, aus der Sicht Maos und Ho Tschi Minhs war der Zweite Weltkrieg 1945 nicht zu Ende gegangen, sondern nur in einen neuen Abschnitt eingetreten.
In Europa galt es für die Kommunisten jetzt, die Beute Osteuropa zu sichern und Westeuropa für die Eroberung weichzuklopfen; Letzteres sollten vor allem die lokalen Kommunisten und ihre Fellow Travellers leisten. Eine zentrale Rolle spielte dabei Deutschland, das Stalin zunächst wiedervereinigen und "neutralisieren", dh faktisch unter sowjetische Kontrolle stellen wollte.
Daß das mißlang, ist entscheidend der nicht-isolationischen Außenpolitik der USA zu verdanken. Nach 1945 gab es in Europa keine Militärmacht, die der UdSSR auch nur einige Monate hätte standhalten können; zumal seit diese nicht nur die Atom- , sondern auch die H-Bombe hatte. Hätten damals in Washington Isolationisten regiert, dann wäre Europa heute kommunistisch.
In Asien wurde der 2. Weltkrieg militärisch durch lokale Konflikte fortgesetzt.
Erst versuchten es die Kommunisten auf die klassische Art, durch den Überfall Nordkoreas auf Südkorea, der weitgehend von chinesischen "Freiwilligen" getragen wurde. Das wäre unter einem isolationistischen Präsidenten im Weißen Haus mühelos gelungen; die kommunistischen Truppen standen ja schon vor Seoul, bevor die USA durch massiven Einsatz ihrer Militärmacht sie zurückschlugen.
Als der Raubzug in Korea mißlungen war, entwickelte man Maos Guerilla-Taktik weiter, die schon im 2. Weltkrieg im Kampf gegen die Japaner beispielsweise in Burma erprobt worden war. Die Strategie war, einen Dominoeffekt zu erreichen - ein Land Asiens nach dem anderen sollte kommunistisch werden. In Indonesien begann man in Laos; Vietnam kam erst an zweiter Stelle, dann Kambodscha.
Das wäre fast geglückt, denn trotz ihres anfänglichen entschlossenen Widerstands zogen die USA bekanntlich am Ende aus Vietnam ab - zwar ungeschlagen, aber zu Hause dennoch demoralisiert. Nach der gescheiterten Tet-Offensive hatten die Kommunisten keine Chance mehr, Südvietnam militärisch zu erobern. Die USA hatten, als die Anti-Kriegsbewegung immer mächtiger wurde, aber ihrerseits keine Chance mehr, den Krieg bis zum Sieg durchzuhalten.
Warum fielen die Dominos dennoch nicht? Das lag wesentlich an der sowjetisch-chinesischen Rivalität und an den wachsenden inneren Schwierigkeiten sowohl in der UdSSR als auch in Maos China.
Sie werden einwenden, lieber Isildur, das seien olle Kamellen. Aber die Grundgegebenheiten der Geopolitik haben sich seither wenig verändert. Was am Ende zählt, das ist militärische Stärke - so bedauerlich das auch ist. China hat das verstanden, wenn es jetzt massiv rüstet, obwohl es ja von niemandem bedroht wird. Der Iran hat es verstanden, der Atommacht werden will, um im Nahen Osten die Nachfolge der USA anzutreten. Alle auf der Weltbühne verstehen es - außer vielen Europäern, allen voran die Deutschen; die Aussteigernation, die glaubt, nicht Macht sei in der Weltpolitik das Entscheidende, sondern die Temperatur der Atmosphäre und der Ozeane.
Das ist naiv und lebensgefährlich. Nein, lieber Isildur, es ist leider nicht so, daß wir von einer isolationistischen (gut: nichtinterventionistischen) Politik eines Präsidenten Ron Paul nichts zu fürchten hätten. Wir stünden dann nämlich so gut wie schutzlos da.
Rußland wäre dann die einzige ernstzunehmende Militärmacht Europas. Deutschland wäre den Russen nicht nur wegen der Energieversorgung, sondern auch militärisch ausgeliefert.
Eine Nato ohne die USA wäre ein harmloser Verein von militärischen Schwächlingen - eine geschrumpfte Bundeswehr, die noch nicht einmal Atomwaffen hat (die wir dann dringend brauchten), eine britische und französische Berufsarmee, die beide nicht für einen Krieg in Europa gerüstet und ausgebildet sind. Polen und Tschechen, die russischen Drohungen hilflos ausgeliefert wären, so wie jetzt schon die Ukraine.
Rußland konnte Europa seinen Willen diktieren, und natürlich würde Putin das tun - zumal, wenn demnächst in Deutschland und Frankreich die Linke regieren sollte.
Denn die einzige Alternative, wenn die USA den isolationistischen Weg gehen sollte, wäre eine gemeinsame europäische Hochrüstung, um den Russen standzuhalten. Unter sozialistischen Regierungen ist das ausgeschlossen.
Also, lieber Isildur: So sympathisch mir der aufrechte Liberal Ron Paul ist, so sehr ich sein gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Programm schätze - in der Geopolitik wäre er eine Katastrophe.
Herzlich, Zettel
Edit: Indonesien --> Indochina. Dank an Abendländer.
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