Die Aussage zum Nationalgefühl würde ich auch so teilen, aber die Ursache liegt m.E. nach nicht in der schulischen Geschichtserziehung. Geschichte ist wertneutral und sich mit den Verbrechen früherer Generationen zu beschäftigen führt nicht ad hoc dazu, sich weniger mit dem Lande zu identifizieren. Die Australier sind teilweise Nachfahren von Strafgefangenen, nicht das man davon läse das das aufs Nationalgefühl drücken würde. Die Amerikaner haben die Indianer nahezu ausgerottet, was sie nicht daran hindert ein sehr gesundes Nationalgefühl zu haben.
Und gerade im Zusammenhang mit Migration halte ich die Begründung sogar für ziemlich widersprüchlich: Wenn wirklich zuviel zweiter Weltkrieg in der Schule vorkäme, warum hat dann ausgrechnet die Migrantengruppe mit der die Probleme bestehen, so wenig Probleme damit das Wort Jude als Beleidigung zu verwenden ? Wenn die Täter als so negativ emfunden werden, warum ist es gerade diese Gruppe, die durch antisemitische Ausfälle auffällt ? Wie kommt es, dass vor Synagogen Polizeieinheiten stehen, während evangelische Kirchen gemeinhin als sicher gelten ? Das passt überhaupt nicht.
Natürlich ist ein nicht vorhandenes Nationalgefühl ein Riesenproblem bei der Integration von Menschen denen per Religion ein Überlegenheitsgefühl eingeimpft wird, dass sich in der Realität aber nicht wiederfindet. Da ist ein gesunder (oder auch ungesunder) Nationalstolz mit Sicherheit hilfreich. Dieser Nationalstolz fehlt aber m.E. nach weniger aufgrund der Geschichtserziehung sondern eher aufgrund der Tatsache, dass jemand, der sich öffentlich ins Fernsehen stellt und verkündet er sei "stolz ein Deutscher zu sein" erst einmal in die rechte, wenn nicht braune Ecke verortet wird und sich danach erklären muss.
Eine persönliche Randnotiz zum Nationalstolz möchte ich auch noch beitragen, nämlich eine Begründung warum ich heute kaum noch welchen emfinde. Das ist sicher eine individuelle Begründung, aber jeder hat ja so seine eigenen: Ich emfinde den zweiten Weltkrieg in Bezug auf eigenen Stolz sehr undramatisch. Es sind nicht meine Verbrechen. Und genausowenig wie ich Stolz darauf emfinden kann, dass Goethe und Kant auch Deutsche waren, so wenig kann ich Scham für das emfinden was die Nationalsozialisten getan haben. Ich finde in diesem Zusammenhang auch die umfassende Behandlung auf der Schule gut, weil sie vieles lehrt, was sich zu wissen lohnt, aber das beziehe ich nicht auf mich und meine Zusammengehörigkeit zur Nation. Warum ich heute so wenig Nationalgefühl emfinde hat vor allem damit zu tun, wie die Gesellschaft den Beitrag zur Gesellschaft bewertet. Ich bin ziemlich gut qualifiziert, arbeite und verdiene dabei auch nicht schlecht. In der Folge zahle ich einen Haufen Steuern. Ich sehe ein, dass man Steuern zahlt, wenn auch vielleicht nicht in dieser Höhe. Aber selbst wenn ich die Höhe einsähe, so, man entschuldige meine Wortwahl, kotzt mich der Umgang der Gesellschaft mit dieser Besteuerung einfach nur an. Anstatt anzuerkennen, dass es Leute gibt, die sich um Leistung bemühen und in der Folge finanziell einiges beitragen, etwas auf das man durchaus stolz sein könnte, muss man sich noch beschimpfen lassen. Was an Verunglimpfung durch diese Gesellschaft stattfindet, treibt mir zumindest den Stolz auf diese Leistung deutlich aus. Und das ist zumindest hier das Problem. Ich kann stolz sein auf eine persönliche Leistung, aber mein Beitrag zu dieser Gesellschaft als ganzer ist meine Meinung (beispielsweise durch meine Stimme) und eben auch mein Geld in Form von Steuern. Meine Meinung ist ziemlich marginalisiert und das finanzielle ist der Mehrheit immernoch nicht genug. Worauf denn stolz sein ? Wenn man als Gesellschaft auf eine gemeinsame Leistung stolz sein will, dann muss man die auch gemeinsam bringen und diese auch anerkennen. Versimpelt gesagt: Kein Mensch ist stolz darauf Steuern zu zahlen. Aber besser wäre es. Wenn wir auf die erreichte Gesellschaft stolz sein wollen, dann müssen wir auch sehen wie diese zustande kommt.
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