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Hallo zusammen,
vor kurzem habe ich mit einem Freund auf fb über diesen Beitrag diskutiert und möchte mein Statement und meine Bedenken auch hier Einigen zum Besten geben. Der Einfachheit halber werde ich die Konversation hier einfügen:
Zitat
Ich: [... etwas ungehaltene Äußerungen über die Qualität des Beitrags...]
Am besten: "Eine Ironie der Geschichte macht die Aussteigernation jetzt zum großen Förderer gefährlicher und umweltschädlicher Formen der Stromerzeugung." Genau, eine negative Randerscheinung (für die weder Ausmaße noch Quellen genannt werden) führt zur Schelte des Ganzen Konzepts. Schon mal überlegt, warum unter anderem Strom aus Tschechien importiert werden muss? Weil der Ausbau der Stromtrassen von Nord nach Süd zum Transport der Windenergie sträflichst vernachlässigt wurde. Schon mal darüber nachgedacht, dass gerade der Stromhandel über die Grenzen hinweg die Nachteile regionaler Verfügbarkeit von Wind- und Solarenergie kompensieren kann?
Daneben kurze Info: Die Stromaußenhandelsbilanz von Deutschland ist weiter deutlich positiv, das heißt es wird deutlich mehr Strom exportiert als importiert (vgl. Statistik der AG Energiebilanzen http://www.ag-energiebilanzen.de/compone...plication%2Fpdf). Und das obwohl 2010 bereits die Hälfte der AKWs ohnehin nicht lief!
Die restlichen geistigen Höchstleistungen des Artikels zu widerlegen spare ich mir jetzt mal. Nur eins noch zu Folgendem: "Unser Land lief mit seinem Neudenk nachgerade zur Höchstform auf; die alte deutsche Eigenschaft, alles besser zu wissen als der Rest der Welt und sich der Welt als Vorbild zu präsentieren, war wieder aufs Schönste zu besichtigen." Stimmt, die Förderung von Erneuerbaren Energien ist auch wirklich ein dämliche Idee, auf die nur Deutschland kommen kann! (Sry aber anders kann ich darauf wirklich nicht reagieren.) Zur Info: Es gibt eine EU-Richtlinie zur Nutzung Erneuerbare Energien. Unter http://www.res-legal.de/ kann man z.B. sehen, wie viele Mitgliedstaaten EE fördern und wie. Von einem Deutschen Sonderweg kann hier keinesfalls gesprochen werden.
Mein Freund: Warum ist der Artikel zynisch? Weil er nicht deiner Meinung entspricht?
Man muss kein Zyniker sein, um die Energiepolitik in diesem Land zu kritisieren. [...]
Zu deinen Argumenten:
1. Ist es wohl kaum eine "Randerscheinung", wenn ich hierzulande KKWs abschalte, um in direkter Folge aus Tschechien und Frankreich riesige Mengen Atomstrom importieren zu müssen.
2. Windenergie ist nicht geeignet, um eine sichere Grundlastversorgung bereitzustellen. Der Wind weht nunmal nicht gleichmäßig.
3. Die Gesamtbilanz ist immer noch leicht positiv, trotzdem werden große Mengen aus Frankreich und Tschechien importiert und wie die zustande kommen, wissen wir beide.
4. Der "deutsche Sonderweg" bezieht sich nicht auf die regenerativen Energien sondern auf den kopflosen Ausstieg aus der Kernenergie, die sog. "Energiewende". Und diesen Blödsinn macht uns so schnell keiner nach. Zumindest würde ich es keinem empfehlen.
Ich: Zynisch ist der Artikel für mich, weil er die Energiepolitik im Hinblick auf die Erneuerbaren und den Atomausstieg mit beißendem Spott belegt und dabei selbst - wie oben erwähnt - nicht mit inhaltlichen Unvollständigkeiten zur Verzerrung der tatsächlichen Situation geizt.
Ganz und gar nicht bin ich kritischen Fragestellungen oder Zuspitzungen abgeneigt. Ich habe jedoch etwas gegen eindeutig einseitige Darstellungen, die wichtige Tatsachen unterdrücken und dem Leser so keine ernsthafte Einschätzung der Situation erlauben. Diese Anforderung stelle ich übrigens an alle Artikel, egal ob sie meiner Meinung entsprechen oder nicht.
zu 1. Klar, es ist eine Randerscheinung des Atomausstiegs, die in der Art und Weise des Atomausstiegs begründet liegt. Mit der Entscheidung im Jahr 2011, aus Sicherheitsgründen gleich eine ganze Reihe von AKWs endgültig und nahezu gleichzeitig vom Netz zu nehmen fiel - wie richtig im Artikel erwähnt - eine ganze Menge Kapazität weg, die etwa 7% der Kapazität 2010 ausmachten. Unerwähnt bleibt im Artikel, dass die nächste Frist zur Abschaltung eines AKWs dagegen erst Ende 2015 ausläuft, sodass bis dahin zum Ausbau der Erneuerbaren Energien 4 Jahre Zeit bleibt. In den Raum gestellt wird dagegen nur die dem Leser immens erscheinende Summe von 42.111 Gigawattstunden wegfallender Stromerzeugung.
Zum Vergleich: Die Stromerzeugung aus EE betrug 2010 104.300 GWh und 2011 bereits 121.800 GWh (2011). Knapp die Hälfte der genannten Summe wird also bereits mit dem Zuwachs der EE ausgeglichen.
zu 2.: Windenergie und Solarenergie sind nun einmal fluktuierend, das ist unstreitig und macht die Organisation schwieriger als mit konventionellen Kraftwerken. Neben dem europäischen Energiehandel kann auch die Verteilung des Stroms aus EE in ganz Deutschland bereits für erheblichen Ausgleich sorgen. Daneben lässt sich unter anderem die Stromabnahme an die Stromverfügbarkeit anpassen. Sowohl in Industrie als auch in Privathaushalten kann Energieverbrauch dann erfolgen, wenn ohnehin viel bereitsteht (bei Sonne, bei Wind; Stichwort: intelligente Netze).
zu 3.: Genau, die Gesamtbilanz ist trotz des Wegfalles von etlichen AKW noch positiv. Das Außenhandelssaldo von Deutschland hat sich trotz des Wegfalls von mehr als 42.111 GWh nur um 10.185 GWh verschlechtert. Unerwähnt bleibt im Artikel auch, dass der Stromexport nach Tschechien 2011 um 140% gestiegen ist, der Import dagegen nur um 2,5% (absolut: Import 2011: 8506, Export 2011: 1311; Import 2010: 8299, Export 2010: 545; damit als Saldo +559 GWh ggü 2010). Plötzlich ergibt sich ein völlig anderes Bild, nicht wahr? Wenn man bedenkt, dass weitere AKW Kapazitäten erst 2016 wegfallen, dürfte das angesichts der Zahlen kein Problem darstellen.
zu 4.: Ich hoffe es, dass der Autor sich damit nur auf den erneuten Atomausstieg bezog. Andererseits kritisierte er im Artikel ja beides abwechselnd, Atomausstieg und die Erneuerbaren an sich (insbes. Kritik an Photovoltaik). Auch bezieht sich der Autor wie eingangs auch am Ende des Artikels ausdrücklich auf die Energiewende insgesamt. Die Energiewende meint jedoch allgememein die Abkehr von nicht regenerativen Energien. Um diese ging es letztlich auch im Rahmen der Entscheidungen im "Frühsommer 2011" (z.B. Netzausbaubeschleunigungsgesetz). Damit entsteht deutlich der Anschein als würde der Autor die Energiewende insgesamt für einen abwegigen deutschen Sonderweg halten.
Letztlich bleibt der Artikel damit ein atompopulistischer Beitrag, der wichtige Tatsachen unterdrückt und so den Leser manipuliert. Die Atomkraft wird als unentbehrlich dargestellt und die Ängste des Lesers willkürlich geschürt, es könne zu einem Zusammenbruch der Stromversorgung führen.
Viel Spaß beim Lesen, ich bin gespannt auf eure Antworten, mfG wahlberliner
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