Zitat von F.Alfonzo Soweit korrekt?
Jupp, korrekt. Es ist ein physikalisches Problem.
Ich kann mir durchaus so eine Art qualitativ minderwertigen Mittel-Strom vorstellen, mit dem dann dies und jenes trotzdem funktioniert. Irgendwie hat die Sache ja auch mal angefangen mit der Stromerzeugung, und da waren die Anforderungen mit Sicherheit noch nicht so hochgeschraubt wie jetzt. Man sieht das auch manchmal in Filmen, wenn die Glühlampe flackernd zum Leben erwacht, das Kofferradio erste Töne von sich gibt und der Deckenventilator anfängt sich zu drehen, weil das Windrad neben dem Haus endlich ein bissl Frischluft bekommt. Nur, einen Plasmafernseher oder meinen PC würde ich so wahrscheinlich nicht zum Laufen bekommen, auf den E-Herd würde ich da auch verzichten.
Unsere jetzige Stromversorgung ist über Jahrzehnte gewachsen, und konnte mit steigender Erzeugungssicherheit qualitativ immer besser werden. Das heißt, die Grundparameter werden zu nahe 100 Prozent eingehalten und die Verbraucher konnten daraufhin standardisiert werden. Die laufen halt (mehr oder weniger) nur, wenn ihr Input auch den Standards entspricht. Einen Lanz Bulldog können sie auch noch mit Rohöl oder Frittenfett füttern, einem Flugzeugtriebwerk oder 'nem modernen Turbodiesel würde ich das eher nicht zumuten wollen, einem Formel 1 Rennwagen auch nicht.
Anders als bei den Verbrennungsmotoren, die ja ihren eigenen Tank an Bord haben, beeinflussen Stromverbraucher am Netz dasselbige aber auch noch - und damit den Input aller anderen Verbraucher am selben Netz.
Okay, was sind nun die Parameter, die von der Erzeugerseite gewährleistet werden müssen, und die wiederum von der Verbraucherseite beeinflusst werden? (Da lehne ich mich jetzt weit aus dem Fenster, denn ich bin kein Elektriker, und bitte um Berichtigung von kompetenter Seite, falls ich Blödsinn erzählen sollte.)
Elektrische Spannung: Entspricht, ums physikalisch vorstellbar zu machen, dem Druck in einem Leitungssystem. Je größer der Verbraucher ausfällt, desto höher wird die Spannungsebene sein, an die man denselben anschließt, damit auch ordentlich Wumms in der Leitung ist, wenn er einen großen Schluck nehmen will. Jeder zusätzlich in Betrieb genommene Verbraucher senkt die Spannung auf seiner Ebene nun ein wenig bis ordentlich (je nach Größe). Da muss von der Erzeugerseite her zeitnah nachgeschossen werden, sonst reicht der "Druck" für alle angeschlossenen Verbraucher halt irgendwann nicht mehr. Überspannung dagegen lässt z.B. Elektronik wegrauchen oder Glühlampen durchbrennen.
Blindleistung: Pendelt nicht nutzbar im Netz hin und her, ist abhängig von den angeschlossenen Verbrauchern. Induktive Verbraucher (E-Motoren) brauchen z.B. erstmal Strom für die Magnetisierung ihrer Wicklungen. Da dreht sich noch gar nichts. Beim Entmagnetisieren (also bei jeder Umdrehung) wird aber wieder Spannung ins Netz induziert. Ein hoher induktiver Blindleistungsanteil wirkt spannungssenkend, ein hoher kapazitiver Blindleistungsanteil (Leuchtstoffröhren, Freileitungen) wirkt spannungserhöhend. Blindleistung muss weitgehend regional kompensiert werden.
Netzfrequenz: Von der Erzeugerseite habe ich das hier ja schon mal dargestellt. Auf der Verbraucherseite "taktet" da einiges an Elektronik nach den 50 Hz, und außerdem hängen da auch direkt die Drehzahlen von (ungeregelten) Motoren dran. Wenn so ein Motor z.B. eine Pumpe antreibt, wirkt sich das in der dritten Potenz auf die Pumpenleistung aus (halbe Drehzahl = nur noch ein Achtel der Wellenleistung!).
Das Ganze sollte also im angemessenen Rahmen gehalten werden, damit das Netz (wie wir es kennen) für die Verbraucher nutzbar, und für die Erzeuger beherrschbar bleibt. Solange die Verbraucherseite ungeregelt bleibt (das ist unser Idealzustand, in dem wir Strom verbrauchen können wann immer, und wieviel immer wir wollen) muss allein die Erzeugerseite das Netz im Gleichgewicht halten. Idealerweise sind diese Erzeuger regional gut verteilt (mit größerer Kapazität in der Nähe größerer Verbraucher - Blindleistungskompensation und niedrige Übertragungsverluste), wovon wir aber leider aus geografischen Gründen weit entfernt sind. Die verbraucherunabhängige, regionale Wind- und PV-Konzentration mit ihrem schwankenden Output macht das auch nicht gerade besser.
Wenn wir jetzt noch das Netz als Regelkreis betrachten, beantwortet sich die Frage wie dessen Stellglieder beschaffen sein sollten von selbst. Tausende Miniregler mit wenig, und unsteten Ausgleichskapazitäten sind schwer beherrschbar, und könnten zum gegenseitigen Aufschwingen führen. Wenige große Regelkraftwerke, mit entsprechenden Lastbreiten und Laständerungsgeschwindigkeiten (wetterunabhängig natürlich) passen dagegen genau zum (stabilen) Netz wie wir es kennen.
Natürlich ist eine andere Struktur denkbar, so eine Art dezentrales Hobbit-Land zum Beispiel, in dem jedes Kaff sich einen Bürgerkraftwerkspark in die Gemarkung stellt (PV für die Straßenlampen an Julimittagen, ein bis drei WKA für Kochen und Waschen an windigen Tagen, Biogas fürs Fernsehen, Geothermie für die Wärme, und eine riesige Batterieanlage für den Notstromversorgung). Das wird aber aus Kostengründen und wegen der unsicheren Rund-um-die-Uhr Versorgungslage nicht besonders attraktiv für die Bürger, sowie für gewerbliche Abnehmer sein. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass so eine Struktur unflexibel ist, wenn neue Verbraucher dazukommen, oder alte abwandern.
Um die regionale Versorgung sicherer zu machen, bedarf es also wieder einer überregionalen Vernetzung der nun dezentralen Strukturen. Weiter gedacht landet man genau dort, wo wir heute sind (unsere Stromversorgung hat auch mal so angefangen). Nur jetzt halt mit wesentlich mehr Leitungs-, Regelungs-, und Verrechnungsaufwand, sowie einem Haufen installiertem Erzeugungskram der nur selten voll genutzt wird, aber voll bedient und gewartet werden muss.
Im Endeffekt wird auch so ein System wieder auf Konzentration hinauslaufen. Unwirtschaftliches wird stillgelegt, wirtschaftlicheres wird ausgebaut - bis die wichtigsten übriggebliebenen Player in Konkurrenz zueinander stehen, und zusehen, dass sie ihre Kunden günstiger und/oder sicherer beliefern können als die Wettbewerber. Vielleicht würden dann erste fossil befeuerte Anlagen zugebaut werden? 
Mag sein, dass ich einfach zu vernagelt in den bekannten Strukturen gefangen bin, aber ich gehe davon aus, dass technische Evolution erst mal grundsätzlich zum besten Ergebnis führt. Die Evolution hat uns zu einer der sichersten Stromversorgungen der Welt verholfen. Die Revolution, die jetzt versucht wird (von oben oktroyiert vielmehr), beinhaltet ja keine grundsätzlich neuen Komponenten, sondern puscht nur altbekannte, teilweise wegen Ineffizienz verworfene Techniken, die nun auf der sicheren Versorgung als subventionierte Zufallseinspeiser aufsetzen. Kein survival of the fittest, sondern Reanimation modernisierter Dinosaurier. Weder evolutionär, noch revolutionär - nur back to Biedermeier.
Kann man machen, aber die Evolution würde m.E. auch dort wieder so ablaufen wie sie es bisher getan hat. Es sei denn, die Verbraucherseite (also auch die weniger gut Verdienenden und die Wirtschaft) ist Feuer und Flamme dafür, wesentlich mehr für wesentlich weniger Versorgungssicherheit zu bezahlen. Oder noch viel viel mehr bei gleichbleibender Sicherheit und der Inkaufnahme des Komplettumbaus von Landschaft und Landwirtschaft.
Beste Grüße, Calimero---------------------------------------------------- "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011
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