Lieber Wahlberliner, zu den technischen Themen werden sicher andere Stellung nehmen, aber da ich die Wirtschaftlichkeit von "energieintensiven" Industrien nun einmal angefangen habe, mache ich auch weiter. Sie schrieben:
Zitat von wahlberliner Könnte sich nicht auch der Verbrauch stärker an der Verfügbarkeit von EE orientieren? Wäre es der Energieintensiven Industrie nicht an einigen Stellen möglich, etwa Metalle während günstiger Strompreise ein wenig auf Vorrat zu produzieren und in Mangelzeiten die Produktion und damit den Energieverbrauch etwas herunterzufahren? Meines Wissens wird das im Kleinen bereits praktiziert und ist vll auch in größerem Maßstab angedacht. Ggf. könnte man der Wirtschaftlichkeit auch da mit kleinen Zuschüssen helfen.
Ich darf Ihnen versichern, jeder der die Materie kennt, wird bei solchen Aussagen in die Tischplatte beissen wollen. Ohne Ihnen zu nahe zu treten, gehe ich davon aus, dass Sie noch nie eine Hütte von innen gesehen haben und sich auch nie damit beschäftigt haben, wie und was dort gearbeitet wird. Vielleicht gebe ich Ihnen mal einen kleinen Einblick: Der Schmelzbetrieb in einem normalen Stahlwerk ist ein 24/7 Betrieb und das 52 Wochen im Jahr (ja, da wird auch an Heiligabend und Sylvester volle 24 Stunden gearbeitet). In dem EAF eines solchen Stahlwerks findet ein zyklischer Betrieb statt: Etwa alle 50 Minuten (tap to tap) wird der Ofen gefüllt, der Stahl geschmolzen und abgegossen. Ungefähr 2/3 dieser Zeit läuft der Ofen aktiv, d.h. eine elektrische Leistung von 50-100 Megawatt (je nach Auslegung) wird benötigt. Und zwar genau die. Zuviel Energie können Sie nicht einleiten, weil dafür ihre Transformatoren nicht geeignet sind. Leiten Sie dagegen zu wenig ein, wird ihre Kühlung schlechter, denn je länger die Schmelze im Ofengefäß verbringt, umso mehr müssen Sie dieses kühlen, Sie arbeiten dann mit ihrer eigenen Kühlung gegen die eingesetzte Energie und ruinieren sich die Effizienz. Der dahinter liegende Stranggießprozess ist genauso auf die 50 Minuten ausgelegt. Selbst wenn Sie mehr Stahl erzeugen würden, können Sie den nicht vergiessen. Erzeugen Sie zu wenig, müssen Sie permanent den Prozess unterbrechen (Gießpause), was auch Effizienz (und Material) kostet. Zur Wirtschaftlichkeit habe ich ja schon ausgeführt was eine Stunde Prozessunterbrechnung etwa kostet. Und da kommen Sie mit "kleinen Zuschüssen" ? Bei allem gebotenen Respekt, da lachen die Hühner. In Deutschland werden derzeit etwa 40-45 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr erzeugt, davon etwa 15-20 Millionen als Elektrostahl. Und jetzt fangen Sie mal selbst an zu rechnen was für kleine Zuschüsse Sie da bräuchten. Und, wohlgemerkt, wir reden nicht einmal von den absurden Kosten für den EE Strom, wir reden rein von Versorgungssicherheit und Verfügbarkeit. Es ist eine absurde Illusion man könnte mit Windmühlen wirtschaftlich Stahl erschmelzen. Genau für sowas braucht man Kernkraftwerke. Oder Kohlekraftwerke. Oder Gasturbinen.
Zitat Da werden Energieintensive Unternehmen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen mit genau dieser Begründung von der EEG-Umlage und den Netzentgelten (nahzu) befreit.
Nicht im internationalen Wettbewerb ? Soll das ein Scherz sein ? Ich glaube Sie werden wenig Produkte finden auf denen ein schärferer Wettbewerb herscht. Wie kommen Sie zu solchen Aussagen ?
Zitat Gerade die Industrie, deren Vernichtung Llarian befürchtet wird bisher weitestgehend und - wie ich finde zu Unrecht - geschont.
Was veranlasst Sie zu solchen Aussagen ? Haben Sie sich mal die Zahlen von Thyssen angesehen ? Haben Sie eine Vorstellung der wirtschaftlichen Situation der Stahlindustrie ? Ich sage Ihnen auf den Kopf zu, Sie haben NOCH NIE einen Geschäftsbericht einer deutschen Hütte aus der Nähe gesehen. Wir können gerne über Wirtchaftlichkeit reden, aber solche Aussage finde ich einfach ärgerlich.
Zitat Wenn die Produktion eines Gutes viel Energie erfordert, darf dieses im Verkauf auch teurer sein.
Nö. Darf es nicht, denn das ist genau das Problem des Wettbewerbes. Der Stahl kommt dann schlicht aus dem Ausland, denn die Energie ist ja nicht teuer. Windmühlenenergie ist teuer. CO2 Steuer ist teuer. Energie aus AKWs ist billig. Und es gibt überhaupt keinen Grund warum jemand eine Tonne Warmband bei einem deutschen Stahlwerk für 1000 Euro kaufen sollte, wenn er die selbe Tonne vom Chinesen für 900 Euro bekommt.
Zitat Zudem ist es Augenwischerei, die momentanen Stromkosten aus EE im Vergleich zu konventionellen Energien anzusetzen. Die Technologien sind doch noch in der Entwicklung begriffen. PV und Windkraft haben in dieser Hinsicht erhebliche Fortschritte gemacht. Windkraft wird wohl bald die Marktreife erreichen.
Und wann soll das sein ? Und wie definieren Sie diese ? Ich habe Ihnen gerade vorgerechnet, dass bereits ein Energiepreis von 10 Cent für die Stahlindustrie existenzbedrohend ist, während ein Preis von 15 Cent die Industrie platt macht. Der Erzeugerpreis für Windmühlenstrom liegt wo ? 30 Cent ? 28 Cent ? Wann haben wir denn bitte die Marktreife erreicht ? Ich sagte es schon einmal flapsig, für einen Mac Besitzer am Kaminfeuer ist auch die Kilowattstunde für 50 Cent kein Problem, der verbraucht nicht viel. Wenn ich dagegen Metalle erschmelzen muss, sieht die Welt anders aus.
Zitat Wenn man aus umweltpolitischen Erwägungen eine bestimmte Technik der Energiegewinnung fördern will, ist deren Anfangspreis selbstverständlich höher.
Und wie hoch darf der werden ? Darf ich auf die ganz bescheidene Tatsache hinweisen, dass das Geld auch verdient werden muss ? Von den Industrien, von denen Sie meinen, dass die zu Unrecht geschont würden.
Vielleicht ein kleines Nachwort: Ich habe den Eindruck, Sie kennen sich in der Thematik nicht aus. Das müssen Sie auch nicht, es ist keine Schande nicht zu wissen was eine Stahlroute ist oder wie eine bestimmte Industrie arbeitet. Ich arbeite in diesem Feld, darum kenne ich mich aus. Und ich sage aus meinem Fachwissen heraus das folgende: Wenn die Absichten bezüglich EE und CO2 Zertifikaten, wie derzeit geplant, durchgesetzt werden, dann wird niemand mehr etwas Nennenswertes in deutsche Elektrostahlwerke investieren. Man wird die alten Anlagen bis zur Grenze der Wirtschaftlichkeit weiterfahren und dann irgendwann stilllegen, neue Anlagen werden nicht gebaut werden. In der Folge werden mehrere zehntausend Stahlarbeiter, Zulieferer und Logistikarbeiter arbeitslos. Die Wertschöpfung des Stahls und der direkten Zuliefererindustrie (Größenordnung mehrere Milliarden Euro per annum) wird ins Ausland verlagert, nicht an einem Tag, aber siechend. Wenn Sie sich mit der Thematik auseinandersetzen, bin ich sicher, werden Sie zu dem selben Ergebnis kommen. Sie können das Ergebnis für richtig halten, das ist eine Frage der Bewertung. Aber machen Sie einen Fehler bitte nicht: Machen Sie sich nicht die Illusion das das nicht passieren wird. Das wird passieren.
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