Zitat von Martin Wulffs hat sich auf das falsche Image versteift. Nichts gefällt dem Volk mehr als an der Fassade von Biedermännern zu kratzen. Das ist auch die eigentliche Rolle der Bild in diesem Spiel (Wie kann man ihr ernsthaft die Rolle des Moralwächters andichten wollen?).
"Das Volk" (also Sie und ich und wir alle) ist da, lieber Martin, sehr ambivalent, glaube ich.
Das alte "Hossiana - kreuzigte ihn" trifft es schon sehr gut. Wir achten jemanden, ja verehren ihn unter Umständen, jubeln ihm zu - solange er unserem Bild von einer Führungsfigur entspricht. Da mögen auch, weil die Haltung eben ambivalent ist, aggressive Impulse in uns sein, aber sie werden unterdrückt.
Das Ambivalente kippt, sobald der Betreffende "aus der Rolle fällt", wie es die Umgangssprache sehr treffend sagt. Dabei ist vermutlich ein Fehlverhalten als solches nicht so schlimm, wie daß diese Person Schwäche zeigt.
Denn das "Aufsehen" zu jemandem, der Respekt basiert immer wesentlich auf der Anerkennung seiner Stärke; auf welchem Feld auch immer - ein vermutlich evolutionär sehr altes Merkmal des zoon politikon Mensch.
Zeigt sich die Person schwach und gibt es auch obendrein noch konkreten Anlaß zur Kritik, dann kippt die Haltung ihm gegenüber. Das ist jetzt Wulff passiert. Sein weinerliches Interview war das Dümmste, was er machen konnte. (Nebenbei: Könnte man sich vorstellen, daß die Kanzlerin auf Vorwürfe so reagiert, daß sie auf ihre Arbeitslast verweist, auf Menschliches, das ihr eben auch passiere? Daß sie derart jemals zu Kreuze kriecht, wie Wulff das gemacht hat?).
Und ist da Ansehen erst einmal weg, dann hilft eben nichts mehr. Macht kann man zurückerobern. Wenn man sein Vermögen verliert, kann man sich ein neues erarbeiten. Aber wer unten durch ist, der kommt nicht wieder auf einen grünen Zweig.
Eine sehr treffende These finde ich, lieber Zettel, nur das "Aufsehen" zu jemandem würde ich nicht generell mit Respekt gleichsetzen. Dann hab ich jedenfalls eine Erklärung dafür, dass ich zu Beginn der Affäre ganz auf der Seite der Presse war und sie später gewechselt habe - mir fällt es schwer zu jemandem "aufzusehen". Sympathisch dagegen sind mir Menschen mit Schwächen, die diese auch bereit sind zuzugeben. Allerdings in einem gewissen Rahmen. Ohne es allzusehr auf Christian Wulff zu beziehen, dafür um so mehr auf das "Aufsehen": Mir ist immer wieder aufgefallen, dass in angelsächsisch geprägten Ländern mit persönlichen Fehlern anders umgegangen wird. Fast möchte ich sagen, sie sind erwünscht, als wichtige Quelle der Erkenntnisgewinnung, des Sammelns von Erfahrungen und Bestandteil des Understatements eines Gentlemen. Passiert jemandem ein Missgeschick wird weggesehen und so getan, als hätte man es nicht bemerkt. Die Bemerkung "my fault" wird für meinen Geschmack mitunter als Ersatz für eine Entschuldigung benutzt. Es wird gar nicht abgewartet ob man entschuldigt wird, nein man gibt im Zweifel auch einen Fehler zu, den man gar nicht begangen hat, nur um die Sache schnellstmöglich aus der Welt zu schaffen. Ich hege viel Sympathie für diese Art des Umgangs, habe aber feststellen müssen - in Deutschland funktioniert das nicht. Man verliert an Respekt.
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