Im Vereinigten Königreich gibt es offiziell zwar einen gemeinsamen Paß, aber keine gemeinsame Nationalität, sondern stattdessen eine englische, walisische, schottische etc. Das ist schon im Hinblick auf Veranstaltungen wie die “internationale” Snooker-Meisterschaft erforderlich.
Schottland hat aber durchaus Züge nationaler Eigenart bewahrt; sie haben eine eigene Notenbank, ein eigenes Schul- und Hochschulwesen, einen sehr charakteristischen Dialekt und nicht zuletzt eine lange und stolze Tradition in Literatur, Wissenschaft und Technik.
Daß dieses konservative Nationalgefühl (mit dem die Briten seit jeher keinerlei Probleme haben; die Aversion der eigenen Nation gegenüber ist eine rein deutsches Spezifikum) neuerdings in Separatismus ausartet, ist weniger eine Ursache als vielmehr eine Folge der Devolution. Sie hat nämlich den Konstruktionsfehler, daß nun zwar lokale Parlamente und teilunabhängige Regierungen für Wales, Schottland und Nordirland existieren, jedoch nicht für England, so daß Westminster die doppelte Aufgabe eines Parlaments für England und für das Vereinigte Königreich erfüllen soll.
Diese Asymmetrie steht einer Entwicklung zu einem Bundesstaat mit zwei Ebenen, wie sie in Deutschland in Bund und Ländern vorliegen, im Wege und läßt die Devolution, die eigentlich eine Lokalisierung der Volksvertretung und Regierung darstellen soll, wie englischen Mikroimperialismus aussehen, der die nichtenglischen Landesteile zu Juniorpartnern degradiert. Löwe und Einhorn halten das Wappen des Vereinigten Königreichs; aber im Moment sieht es eher so aus, als hielte der Löwe sich Einhorn (und walisischen Drachen) als Schoßtiere.
Das kann bei den Schotten, die nach 1603 den Monarchen in Personalunion gestellt haben und 1707 als gleichberechtigter Partner in die Union gegangen sind, nur Unmut auslösen. Bezeichnenderweise ging die jüngste Debatte über das schottische Referendum gar nicht um Details einer Unabhängigkeit, sondern um die Frage, ob die schottische Regierung ein Referendum aufgrund naturrechtlicher nationaler Selbständigkeit durchführen dürfe oder ob nicht vielmehr eine Genehmigung aus Westminster dafür erforderlich sei. Das hat auch den praktischen Aspekt der Einflußnahme auf den Wortlaut des Referendums. Westminster wünscht eine klare Entscheidung: entweder bedingungslosen Verbleib in der Union oder politische Unabhängigkeit, etwa nach Vorbild Kanadas. Für die separatistische SNP wäre beides fatal, da sie programmatisch und in der Wählergunst ganz von den Nachteilen der Devolution lebt; sie will deshalb eine dritte Möglichkeit, nämlich größere Devolution, also keine Lösung, sondern eine Verschärfung der Frage nach der schottischen Nationalität.
|