Schon am ersten Tag der "Affäre" Wulff habe ich die Sache ganz anders gesehen als es in nahezu sämtlichen Medien dargestellt wird. In ihrer Schädlichkeit und Schändlichkeit für die politische Kultur ist diese Affäre fast einzigartig in den letzten Jahren.
Wie sich Herr Wulff inhaltlich positionierte, ob er als Politiker nun geschickt oder ungeschickt agierte, ob er das ein oder andere Mal unglücklich vorpreschte, ist in der Angelegenheit völlig nebensächlich. Wulff war ein brauchbarer und in öffentlichen Auftritten sogar souveräner Präsident. Die Hauptprobleme liegen ganz woanders.
Wulffs Rücktritt besiegelt nämlich die absolute Regentschaft der BILD-Zeitung über die öffentliche Meinung und über Wohl und Wehe selbst der höchsten deutschen Politik-Ämter. Das ist der Super-GAU für jede politische Kultur, es ist der Sieg der Un-Kultur. Wie die BILD-Zeitung agiert, wie sie mit der Wahrheit umgeht, daß ihr für Schlagzeile und Quote jedes Mittel recht und die Menschenwürde völlig egal ist, das sind seit langem bekannte Tatsachen, die BILD war für intelligente Leute niemals satisfaktionsfähig.
Im Falle Wulff hat BILD die schmutzigsten Tricks und Methoden angewandt, um das Opfer waidwund zu schießen. Und das Opfer war bewußt gewählt. Man stelle sich einfach die Hackordnung auf einem Schulhof vor. Da gibt es Quälgeister, und da gibt es Prügelknaben - Opfer, die gemobbt werden, weil sie in Naivität und Anständigkeit nicht fähig sind, zurückzuschlagen. Ihre schüchternen Aktionen zur eigenen Entlastung werden vom Mob mit Gejohle und härteren Attacken beantwortet, bis das Opfer zur Strecke gebracht ist.
Wulff war nach einer Periode der "netten" Berichterstattung nicht ganz darauf gefaßt, daß BILD auch anders kann und daß Datenschutz, Persönlichkeitsrechte usw. für dieses Blatt NICHT gelten. Worin genau bestand nun eigentlich die Affäre, die von BILD konstruiert wurde? BILD wollte wissen, wer Wulffs Eigenheim finanziert hatte - denn wäre es Maschmeyer gewesen, käme eine prima Schglagzeile heraus. Maschmeyer war es aber nicht. Und so wurde ein halbes Jahr lang das Privatleben des Präsidenten umgegraben, bis hin zu Klagen wegen Grundbucheinträgen. Hiermit hat BILD den Krieg gegen Wulff eröffnet.
Wulff wollte die Sache erledigt haben - immerhin wurde er von einem BILD-Reporter erpreßt(!), wenn man nicht den Kreditgeber erführe, würde man sehr schmutzige Geschichten über Bettina Wulff schreiben (Gerüchte kursierten ja genügend). Wulff ließ sich nun darauf ein, den Kreditvertrag mit Geerkens vorzuzeigen, allerdings mit der Maßgabe, die Sache nicht publik zu machen. Es war natürlich ein Fehler, beim schlimmsten Reporter der BILD auf Fairneß zu hoffen - bei BILD gibt es keine Fairneß. BILD würde den Geerkens-Kredit skandalisieren, und zwar während Wulff weit weg auf Auslandsreise war. (Quelle: Stefan Niggemeier).
Leider hat Herr Wulff mit seinen Anrufen, die von BILD händereibend mitgeschnitten wurden, die Steilvorlage für eine viel schönere und bösere Kampagne geliefert. Hier konnte sich Diekmann perfekt bedienen. Was aus diesem harmlosen(!) Anruf gemacht wurde, spottet jeder Beschreibung. Angeblich ein Angriff auf die Pressefreiheit, in Wirklichkeit nichts als eine demütige Bitte um Fairneß (Wulff wollte ja nur, daß der Artikel um einige Tage verschoben wird). Keine Rede von Drohungen, nichts dergleichen. Dann dieser Satz: "wenn ich (Wulff) wieder zurück bin, dann kann man sich doch nochmal zusammensetzen, dann können wir darüber reden, wie wir diesen Krieg führen". Das ist der Originalton Wulff! Was hat BILD daraus gemacht??
BILD hat daraus gemacht, daß Wulff gegen diese Zeitung "Krieg führen wolle". Schwachsinn. BILD führte Krieg gegen Wulff, und Wulff hoffte, da noch was steuern zu können. Leider hat es BILD geschafft, sämtliche anderen Medien der bunten Republik für die eigene Kampagne zu instrumentalisieren - mit perfiden Durchstechereien.
Hier beginnt nun der ganz große, eigentlich Skandal. Die Hetzorgie, die hier einsetzt, spottet jeder Beschreibung. In unzähligen, nahezu gleichlautenden Artikeln wurde Wulff persönlich angegriffen, beleidigt, niedergemacht. Die Machination der BILD wurde voll übernommen. In dieser Zeit hörte ich eine Diskussionssendung mit Blome, Diekmann, dem Sendungs-Moderator und einem anderen, altgedienten Journalisten im DLF. Der Geifer und Haß, die Häme, mit der sich Blome und Diekmann beleidigend und herabsetzend über Wulff äußerten, war skandalös. Man spürte, hier ging es um einen Privatkrieg gegen einen, der nicht zu Kreuze kriechen wollte. Einzig der alte Journalist stellte sich gegen deren Hetze und stellte dar, aus welch' banalsten Vorwürfen da eine Kampagne gezimmert wurde...
...die einzig und allein deshalb zu einer Kampagne werden konnte, weil erstens ALLE Zeitungen und ALLE Talkshows wie verrückt auf Wulff losgingen, und weil zweitens dieser Christian Wulff so naiv-gutmenschlich war, zu glauben, mit einem Fernsehinterview könnte er den Mob beruhigen! Es gelang ihm nicht - wie auch. Aus diesem Interview wurden ihm weitere Stricke gedreht, es wurden Dinge angedichtet, die er nie gesagt hatte, kurz und gut, die Hetzjagd ging weiter.
Und dies mehr und mehr auf unterirdischstem Niveau. Die Journaille gerierte sich, als hätte sie das Recht jedes Fitzelchen Privatleben aus Wulff und seiner Frau herauszuzerren. Keine Banalität war zu geringfügig, um nicht für die Kampagne instrumentalisiert zu werden. All' dies in einer Heuchelei sondergleichen: ständig wurde gejammert über die "Beschädigung des Amtes" - dabei war es doch schlicht und einfach die unterirdische Kampagne, die das Amt rücksichtslos beschädigte!
Die Würde eines Amtes besteht nicht darin, daß der Amtsinhaber ein nahezu Heiliger ohne jeden Fehler ist - nein, man hat den Amtsinhaber normalerweise zu schonen, wenn er an der ein oder anderen Stelle mal nicht so würdevoll agiert (zB bei den Telefonanrufen, in punkto bewußte Beleidigungen usw.).
Wenn gewissenlose Menschen ohen jede Moral - wie es Bildzeitungsschreiber nun einmal sind, dies anstreben, dann können sie JEDEN Menschen demontieren und der Lächerlichkeit preisgeben. Permanenter Druck, Schnüffelei ohne Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte, Verdrehung von Aussagen, komplettes Ignorieren der Entlastungsmomente - fertig ist die Demontage.
Wulff war (wie die Prügelknaben auf dem Schulhof) das perfekte Opfer - einer, der auf Fairneß hofft, wo das Gegenteil zu erwarten ist. Dies spürt die Meute, und wenn sie Blut geleckt hat, dann gibt es kein Halten mehr.
Ich sehe mich veranlaßt, hierzu noch einen zweiten Teil zu verfassen.
MfG
Thanatos --
Unmögliches erledigen wir sofort.
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