ich gestehe, dass ich mich bis heute mit der Biographie des Herrn Gauck nie richtig beschäftigt habe. Das habe ich eben nachgeholt. Einige kleine Gedanken, die ich dabei hatte:
Lieber Florian,
Sie greifen zwei Themen auf, die auch mir seit gestern durch den Kopf gehen: Warum spielte bei der Entscheidung für Gauck weder der Proporz eine Rolle noch der Umstand, daß er mit einer Frau zusammenlebt, mit der er nicht verheiratet ist?
Das erstere widerspricht dem Zeitgeist; da stimme ich Ihnen zu. Das zweite folgt ja eher dem Zeitgeist; aber es ist trotzdem erstaunlich, daß das nicht zumindest von der konservativen Minderheit im Land stärker thematisiert wurde.
Bei diesem zweiten Punkt vermute ich, daß dahinter nicht mehr steckt als die ungewöhnliche Art, wie es zu der Nominierung von Gauck gekommen ist.
2010 mag der Umstand, daß er (noch dazu nicht geschieden) mit einer Frau ohne Trauschein zusammenlebt, für die Kanzlerin und die Union schon eine Rolle gespielt haben, als sie der Kandidatur Gaucks nicht beitraten (neben anderen Gründen; siehe meine Antwort an H_W).
Vermutlich spielte dieser Punkt auch jetzt wieder beim Widerstand gegen Gauck in der Union eine Rolle.
Man tut heute aber gut daran, solche Vorbehalte nicht öffentlich zu äußern; man könnte sich schnell den Vorwurf der Intoleranz zuziehen. Also: Toujours y penser, jamais en parler.
Und dann wurde gestern eben alles durch die Entwicklung dieser zwei, drei Stunden am Sonntag gegen Abend überrollt. Die Kanzlerin erkannte, wie es ihre Art ist, die Entscheidung für Gauck als alternativlos. Bedenken mußten zurücktreten. Es war ja gar keine Zeit und Gelegenheit, sie vorzubringen. Noch am Mittag war eine Kandidatur Gaucks als Wahl der Koalition als ausgeschlossen erschienen.
Was den Proporz angeht, ist seine pc Handhabung ja asymmetrisch: Frauen müssen beispielsweise repräsentiert sein, aber nicht Männer (die Partei "Die Grünen" hatte einmal zwei Frauen als Vorsitzende - obwohl die Doppespitze doch wg. des Geschlechterproporzes eingeführt worden war).
2010 erschien Ursula von der Leyen kurzzeitig als die aussichtsreichste Kandidatin der Union. Daß dann sowohl Präsident als auch Kanzler Frauen gewesen wären, störte so gut wie niemanden.
Und ich vermute, daß es auch jetzt so ist: Wäre der Kanzler ein Katholik aus Bayern, dann hätte es gegen einen Präsidenten, der ebenfalls ein Katholik aus Bayern ist, vermutlich heftigen Widerstand gegeben. Aber protestantisch, das geht. Und aus dem Osten, das geht erst recht. Zwei "mit Migrationshintergrund" - das würde vermutlich sogar als Erfolg gefeiert werden.
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