Zitat von Zettel So ist es auch mit den Generationen. Sie "folgen" eigentlich nicht aufeinander, sondern sie gehen ineinander über. Der Letzte der Achtundsechziger war sozusagen genauso alt wie der Erste der Babyboomer.
Es ist ja nicht nur das, lieber Zettel, was die Zusammenfassung zu einem Generations-Kollektiv so fragwürdig erscheinen lässt. Gerade die Einstellungen von Menschen hängen doch auch noch von sehr vielen anderen Bedingungen ab, also tatsächlich dem Alter und dem Status der Eltern, oder dem Milieu, in dem sie aufgewachsen sind.
Als jemand, der vom Alter her genau ins Schema passen müsste, kann ich mich und viele meiner mir bekannten Altersgenossen daher zu großen Teilen nicht in deiner kleinen Skizze wiederfinden. Richtig ist, dass die Schlachten der 68er weitestgehend geschlagen waren, als wir in die Schule kamen, so dass wir dort (natürlich später am Gymnasium) tatsächlich zu Kritik ermuntert statt zum Gehorchen verdonnert wurden. Aber abgesehen davon, dass meine Eltern älter als die 68er waren, sie hatten auch weder das Geld noch den Willen, mir jeden (materiellen) Wunsch zu erfüllen. "Klamotten" oder Statussymbole überhaupt waren bei unsereins überhaupt kein Thema, wir sind praktisch die ganze Schulzeit mit Parka und Jeans ausgekommen. Konsum war als Begriff und Handeln eher verpönt, wir dünkten uns der tumben Masse (nicht nur in dieser Hinsicht) überlegen.
Rauschgift war vielleicht zu haben, wurde aber von 90% gemieden. Für Politik interessierte sich tatsächlich nur eine Minderheit, aber erstens ist das in keiner Generation anders und zweitens war sie nicht allzu klein, außerdem wurde sie von den Lehrern ermutigt und gefördert. Immerhin war der Ost-West-Konflikt noch reale Bedrohung, und als gegen Ende meiner Schulzeit die Nachrüstungsdiskussion hochkochte, berührten die von linker Seite ausgemalten Horrorszenarien (ebenso wie bei der Kernenergie) viele Menschen sehr emotional. Es waren dann wohl vor allem die Babyboomer, die für den Aufschwung der "Grünen" gesorgt haben. Jedenfalls habe ich in all den Jahren in der Blogosphäre kaum je Argumente gehört, die nicht schon in den vielen Diskussionen an der Schule mal aufgetaucht wären (bis auf die klassisch liberale bis libertäre Ausrichtung - die fand praktisch gar nicht statt).
Und eins ist nicht zu vergessen: Quasi in die Mitte unseres Lebens fielen das Ende des Sowjetimperiums und die Aufgabe der nationalen Währung. Wir sind diejenigen, die das maßgeblich mit zu gestalten bzw. die Konsequenzen illusorischer Politik auszubaden hatten und noch haben. Wie wir auch diejenigen sein werden, die als erste umittelbar spüren, was gemeint ist, wenn das Wort "Schneeball" im Zusammenhang mit gesetzlicher Rente und Pension fällt. Wir sind die erste Nachkriegsgeneration, für die Veränderung nicht immer automatisch auch immer nur Verbesserung bedeutete, was viele von uns dazu veranlasst, das kleine Idyll, in dem wir uns einmal eingerichtet haben, mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, weil sie der Meinung sind, es könne alles nur noch schlechter werden. Diese Angst vor Veränderung, diese Sehnsucht nach den ersten Jahren unserer Kindheit, wo das Wort "Reform" ein Synonym für "Versprechen" war (statt wie heute für "Verzicht"), diese "BRD-Nostalgie" steckt hinter dem ewigen "dagegen" der uns am besten repräsentierenden "Grünen".
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
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