Ich bin auch über die entsprechenden Überschrifen gestolpert. Aber weniger wegen der Sprachverhunzung ""Kanzlerinnenmehrheit". Vielmehr wegen des inhaltlichen Fehlers, der sich quer durch die deutsche Presselandschaft zieht. Von Spiegel Online ist man ja nichts anderes gewohnt, aber diesmal schreiben wirklich alle gleichzeitig Blödsinn.
Frau Merkel hat ja mitnichten die Kanzlermehrheit verpasst.
Definition "Kanzlermehrheit" laut Wikipedia: "Kanzlermehrheit ist eine informelle Bezeichnung für eine bestimmte Mehrheit der Mitglieder des deutschen Bundestags. Sie wird in den Medien und in der politischen Diskussion verwendet. In der Verfassung wird diese Mehrheit als „Mehrheit der Mitglieder des Bundestages“ umschrieben und im Artikel 121[1] als „die Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl“ definiert."
Und wie war es bei der Abstimmung? 496 Abgeordnete stimmten mit Ja 90 Abgeordnete stimmten mit Nein 5 Abgeordnete enthielten sich 20 Abgeordnete waren nicht anwesend.
Die "Kanzlermehrheit" von 311 Abgeordneten wurde also locker erreicht. Die zahlreichen anderslautenden Überschriften sind schlicht falsch.
Aber man war halt auf der Suche nach einer reißerischen Überschrift. Warum haben die Medien also nicht einfach geschrieben "Bundesregierung verfehlt eigene Mehrheit"? Wäre das nicht ein ausreichend reißerischer Aufmacher gewesen? Ganz einfach: Weil nicht einmal das richtig gewesen wäre. 310 Koalitions-Abgeordnete stimmten mit Ja. Das war locker die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Selbst wenn die Opposition geschlossen mit Nein gestimmt hätte, wäre der Regierungsantrag durchgegangen.
Eine sachlich korrekte Überschrift hätte also z.B. gelautet: "Eine nur auf Koalitions-Stimmen basierende Kanzlermehrheit verpasst".
Das ganze hat dann nur 2 Schönheitsfehler: 1. Eine so definierte "Kanzlermehrheit" gibt es im Grundgesetz schlicht nicht. 2. In der Praxist wird eine so definierte "Kanzlermehrheit" regelmäßig verpasst. Man schaue sich bei den vielen Abstimmungen im Bundestag einfach einmal die Präsenz an. Da ist schon durch Augenschein offensichtlich, dass eine absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundestags nicht zu erreichen sein wird. Und ganz praktisch hat die Regierung auch bei der ESM-Abstimmung nur deshalb eine "eigene" Kanzlermehrheit verpasst, weil nicht alle ihre Abgeordneten anwesend waren. Das ist also ein Vorgang, wie er in jeder Legislaturperiode hunderte Male vorkommt.
Mir ist natürlich schon klar, dass dies eine wichtige Abstimmung war und dass das Verfehlen einer eigenen Mehrheit für Merkel schon bedenklich sein sollte. Aber das enthebt m.E. die Medien nicht von der Pflicht einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung.
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