Das wäre aber, mit Verlaub, ein sehr eigenwilliger Sprachgebrauch.
Und zwar aus folgendem Grund:
Es gibt ganz bestimmte, fest umrissene Fälle, in denen der Kanzler auf eine absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundestages angewiesen ist. Dies ist der Fall bei der Wahl des Kanzlers, bei einer Vertrauensabstimmung und bei einem konstruktiven Misstrauensvotum. Dies sind daher auch die einzigen Fälle, in denen der Begriff "Kanzlermehrheit" eigentlich einen Sinn macht.*
Nun sind diese Abstimmungen allesamt aber GEHEIM. Es liegt in der Natur der Sache, dass man bei geheimen Abstimmungen nie weiß, von wem die Stimmen gekommen sind. Ihr Punkt (b) kann daher kein notwendiges Bestimmungsmerkmal für die "Kanzlermehrheit" sein.
* Bei allen anderen Abstimmungen reicht die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten.
Das ist m.E. in zweierlei Hinsicht nicht korrekt:
Erstens gibt es weitere Fälle, in denen der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder zu einer Entscheidung kommen muss, darunter der nicht unwichtige Fall der Zurückweisung eines Einspruchs durch den Bundesrat. Zweitens ist die Vertrauensfrage nicht geheim.
Das, was ich - und wohl Teile der Presse (ob das ein Kompliment ist, lass ich mal dahingestellt) - unter "Kanzlermehrheit" verstehe, hängt eben damit zusammen, ob die Regierung noch in der Lage ist, eine eigene Mehrheit zu mobilisieren. Es geht dabei auch nicht darum, ob die Koalition für jede Abstimmung im Parlamentsalltag ihre Dreihundert-und-x-Stimmen mobilisiert, sondern ob sie es faktisch kann. Ich denke, an dieser Fähigkeit, die eigene Mehrheit "kommandieren" zu können, wenn es ums Eingemachte geht, macht man in parlamentarischen Systemen die Handlungsfähigkeit einer Regierung aus. Aus diesem Grund werden ja unter anderem auch namentliche Abstimmung verlangt: von der Opposition, um die Zerrissenheit der Regierung zu zeigen, oder von der Regierung, um auf Geschlossenheit zu dringen.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.