Werter Zettel,
glauben Sie mir ruhig, daß ich mir dessen bewußt bin und es ja auch weitestgehend so sehe. Aber! Einen wichtigen und alles andere als nebensächlichen Aspekt lassen Sie außer acht. Die Rechstsprechung hat auch und vor allem die Aufgabe befriedend zu wirken und das bedeutet eben auch, den Opfern und ihren Angehörigen zumindest in einem gewissen Maße Genugtuung zu verschaffen. Ich bin der Meinung, daß die allgemeine Akzeptanz einer Rechtsordnung nicht zuletzt von eben diesem Aspekt abhängig ist.
Nehmen wir nun Breivik. Dieser Mann hat durch sein absichts- und planvolles Handeln eindeutig bewiesen, daß er Kausalketten auch über viele Glieder und lange Zeiträume hinweg zu verstehen im Stande ist. Ihm nun eine verminderte oder gar nicht vorhandene Schuldfähigkeit zu attestieren, weil er sich (oder man ihn) der Einsicht außerstande sieht, zu erkennen, welch Leid er damit verursacht (ja ich weiß, grob vereinfacht und sehr polemisch), trägt diesem Bedürfnis der Betroffenen nun gerade eben keine Rechnung, sondern stellt den Täter in den Mittelpunkt der Betrachtung und nicht die Tat und deren Sühne.
Zitat von Zettel Das hat aber auch ein Hund, der es durch sein Verhalten sehr genau zeigt, wenn er ein schlechtes Gewissen hat.
Auch wenn wir Menschen gern zur Vermenschlichung unserer treuen Vierbeiner neigen, so hat ein Hund kein schlechtes Gewissen - er paßt seine Verhaltensweisen schlicht an die unsrigen an. Wenn er uns, ob eines zerstörten Zimmers, zornig erlebt hat, so ist sein vermeintlich schlechtes Gewissen, seine Reue gar, nichts anderes als die Erfahrung, daß ein zerstörtes Zimmer kombiniert mit besonders unterwürfigem Verhalten, des Herrchens Zorn zu mildern imstande ist.
Wenn nun aber selbst relativ primitive Lebewesen zu derartigen Täuschungen "fähig" sind, was muß dann erst für unsere Mitmenschen gelten?
Zitat Eine Strafe ist die Folge, die ein frei entscheidender, verantwortlicher Bürger als Konsequenz seines Verhaltens zu gewärtigen hat.
Richtig. Nur wird daraus in der derzeitigen Rechtsprechung: Eine Strafe ist die Folge, die ein, als frei entscheidender, verantwortlicher Bürger eingeschätzter als Konsequenz seines Verhaltens zu gewärtigen hat. Und genau da liegt für mich das Problem. Wer hat in einem solchen Maße die Früchte vom Baum der Erkenntnis genossen, daß er in das innerste Seelenleben eines Menschen blicken kann? Wie will man das unumstößlich und definitiv festmachen und entscheiden? Zumal jede unserer Handlungen Ausfluß unserer genetischen Disposition und angesammelten Erfahrung ist, sodaß wir uns an exakt den selben Punkt zurückversetzt, mit den exakt selben Vorraussetzungen und Erkenntnissen, exakt selbig entscheiden würden. Wo also sind wir wirklich frei? Ist dann nicht einjeder strafunmmündig? Haben wir doch nur auf einen Bruchteil dessen Einfluß, was uns begegnet, widerfährt und prägt.
Grüße
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