Die Piraten sind eine Protestpartei, die erfolgreich werden konnte, weil die üblichen Frühwarnsysteme des politischen und medialen Establishments in Deutschland schlicht nicht gegriffen haben. Das lag nicht an der besonderen Geschicklichkeit der Piraten, sondern an den Mechanismen dieser Alarmsysteme selbst.
Das Frühwarnsystem der deutschen Politik ist nun mal eingestellt auf populistische Führungsfiguren, die "am rechten Rand fischen". Weil es immer nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis ein "deutscher Haider" oder "deutscher Wilders" auftaucht, nimmt man einschlägig Verdächtige sofort unter Beschuss - auch wenn es sich um eine denkbar uncharismatische Figur wie Thilo Sarrazin handelt.
Die Piraten passen nicht ansatzweise zu diesem klassischen "Täterprofil". Sie haben keine Führungsperson, sondern sind antiautoritär bis ins Groteske. Sie greifen keines der großen Reizthemen der politischen Korrektheit auf, sondern brabbeln unverständliches Zeugs über ein Thema "Netzpolitik", von dem man bisher nicht einmal wusste, dass es existiert. Sie tragen keine spießigen Anzüge, sondern Ponytails, Latzhosen oder was sich sonst grad in der Klamottenkiste findet. Kurz: Sie sind die skurrilen Nerds und IT-Freaks, politisch ahnungslose Spätzünder, die wahrscheinlich 2009 mal auf liberale FDP-Parolen hereingefallen sind, die aber jetzt entdecken, dass sie im rot-grünen Milieu viel besser aufgehoben sind.
So hatte man sich das im rot-grünen Milieu jedenfalls anfangs gedacht. Und sie entsprechend freundlich-neugierig aufgenommen. Wolle mer se reinlasse? Warum nicht, sind ja ganz putzig und die Grünen haben doch auch mal so angefangen. Außerdem schaden die Piraten ja der FDP.
Unterschätzt haben dabei alle, wie groß das Protestpotenzial in Deutschland mittlerweile ist. Und dass es für diese Protestwähler schon ausreicht, wenn sie eine leere Projektionsfläche bekommen. Weil nichts so erfolgreich ist wie der Erfolg, ziehen die Piraten nun immer weitere Unterstützer an.
Seit den Medien und vor allem SPD und Grünen klar geworden ist, was man da tatsächlich ins Haus gelassen hat und was das für die Machtperspektiven bedeutet, wird nun nach Kräften gefeuert. Zum Glück gibt es bei den Piraten offenbar auch ein paar halbbraune Wirrköpfe, die sogar von sich aus NS-Vergleiche ins Spiel bringen. Da können dann auch die eingeübten Abwehrmechanismen endlich wieder greifen. Mal sehen, ob das reicht.
Um es in der Diktion der Piraten selbst zu sagen: Diese Partei ist so etwas wie ein Trojaner im Betriebssystem der deutschen Politik. Wenn die Schutzsoftware versagt hat, wird man solche Dinger erfahrungsgemäß nicht so einfach wieder los.
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