Zitat von Krischan im Beitrag #3Wenn ich das etymologisch richtig sehe, bedeutet die Endung auf "-esk" ja soviel wie "in der Art von", also kafkaesk = in der Art von Kafka. Also eigentlich bedeutet dann sarrazinesk nur "auf die Art von Sarrazin".
Mithin also trocken, faktenorientiert, akribisch recherchiert, etwas gestelzt. Oder?
Bei "kafkaesk" wie bei "sarrazinesk" bezieht der übliche Gebrauch des Wortes sich aber auf übertragene Verhältnisse in den Bereichen der sog. Wirklichkeit, nicht auf stilistische Merkmale; bei "kafkaesk" etwa auf die Situation, sich in einer irrsinnig gewordenen Bürokratie im Kreis zu bewegen, ohne Hoffnung, nirgends, nicht darauf, existentialistische Parabeln in einem ganz speziellen, lakonischen, beinah drögen Stil zu schreiben, der seine spezielle Einfärbung auf der radikalen Reduktion der Adjektivitis schöpft - wo sie bei Kafka vorkommen, stammen sie zumeist aus dem Papierjargon der Stempelkissen- und Formblatthöllen, in die er seine Opfer verbannt: man könnte es fast einen "Bauhausstil" nennen: wenige, ganz leicht pastose Einfärbungen, strikte Geradauslinien, more geometrico. (Musil macht zur gleichen Zeit etwas Ähnliches; nur in umgekehrter Richtung: bei ihm neigt jedes epitheton [in]ornans zur Metastasenbildung). Das "-esk"-e bei Kafkaesk hat ja einen Vorläufer in der Wendung "Hoffmannesk" (und könnte sich daraus ableiten); das sind aber sensu strictu literarische "Nachtstücke in Hoffmanns Manier". Ansonsten ist das Schicksal der Adjektivisierung Borges widerfahren (im Englischen und der Romanistik zumindest), ebenfalls seulement dans la royaume du liitérature. Borgesk/borgesian wird's, wenn Unser Autor philosophische Paradoxa zum Zentrum der Erzählung macht (Kafka [schon wieder...] und Lewis Caroll sind insofern vorweggenommene Nachfolger von Borges; sh. den Essay "Kafka und seine Vorläufer"); Lovecraft auch (der ja mittlerweile zum klassischen Kanon der Moderne zählt; oder auch nicht; aber in der Library of America, dem Pendant zur Pléjade, steht er), und, wie "hoffmannesk", ist "lovecraftian" pejorativ eingefärbt: wenn einer die Sinnlosigkeit eines gottlosen, chaotischen Universums versinnbildlichen will und dafür auf einen "unsichtbaren pfeifenden Oktopus" (Edmund Wilsons Wendung) zurückgreift (obschon die Vorstellung von "Heidegger mit Tentakeln aus der 4. Dimension" was hat... ).
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