Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #61
Zitat von Noricus im Beitrag #57
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #48 Der Druck welcher die Gesellschaft ausübt, bewirkt viel mehr, als es ein Gesetz zu leisten imstande ist.
Das mag durchaus so sein. Nur - warum soll man sich diesem Druck beugen? Wenn alle meine Nachbarn finden, dass sich ein bestimmtes Verhalten nicht gehört, aber dieses Verhalten nicht verboten ist und auch wirklich niemand anderem zum Nachteil gereicht: Muss ich mich dann ihrer Ansicht anschließen? Und übt die Gesellschaft nicht manchmal einander widersprechende Drücke aus?
Es ist manchmal halt schwer nachvollziehbar was alles so als Nachteil angesehen wird, darauf beruhen Interessenkonflikte. Und ja, entweder Sie schließen sich an oder Sie ziehen weg.
Das meinen Sie doch nicht im Ernst, oder? Es gilt also die Diktatur der Mehrheit, ganz egal, wie berechtigt oder unberechtigt ihre Anliegen sind. Wenn A in eine alternative Siedlung zieht, deren Bewohner es ihm aus ökologischen Gründen ankreiden, dass er im Advent sein Haus mit Tausenden von Lampen schmückt, dann soll er die Festbeleuchtung also abnehmen oder sich ein anderes Viertel suchen. Und jemand, der vor Hunden Angst hat, soll wohl nicht mehr den Waldweg benutzen, auf dem bestimmte Zeitgenossen ihre nicht erzogenen Hunde herumlaufen lassen? Wäre es im Vergleich zu diesem Totalverzicht nicht die kleinere Freiheitseinschränkung, wenn nicht erzogene Hunde an die Leine genommen würden?
Zitat Der Druck welcher durch die Gesellschaft ausgeübt wird, steigt aber auch mit der Zunahme an Gesetzen. Eine geschlossene Gesellschaft wie eine Diktatur erhält so den Status quo. Jeder kontrolliert irgendwann jeden.
Da möchte ich widersprechen: Diktaturen haben - was die geschriebenen Gesetze betrifft - oft keine höhere Regelungsdichte als rechtsstaatliche Demokratien europäischen Zuschnitts. Der Druck wird gerade dadurch aufgebaut, dass z.B. die Mitgliedschaft in gewissen Organisationen erwartet wird und die Nichtmitgliedschaft wirtschaftliche Nachteile zeitigt. Aber dies geschieht in einem rechtsfreien, nämlich just im gesellschaftlichen Raum. In den Gesetzen steht davon meistens nichts.
Zitat Die Sitten und Gebräuche in einer fremden Gegend sind oft nicht durch Gesetze unterlegt und doch beginnt man sie als Fremder nach mehreren Wochen anzunehmen. Da passiert teils unbewusst, teils bewusst, weil man einen besseren Zugang in diese Gesellschaft wünscht, weil man ein Teil von ihr werden möchte.
Da würde der Blick in so manches Viertel einer deutschen Großstadt zu anderen Schlüssen führen.
Zitat Wenn man Nachbarschaftsstreitigkeiten vermeiden will, sollte man eine Regel beherzigen: Niemals Vorschläge bezüglich des Verhaltens machen.
Und wenn man dann doch Verhaltensvorschläge erteilt bekommt: diese befolgen oder wegziehen? Ich mache sicher niemandem Vorschriften. Aber wenn jemand in meine Sphäre übergreift, was soll ich dann tun: Augen zu und an England denken? Oder dem anderen vielleicht doch mitteilen, dass ich mit seinem Verhalten nicht einverstanden bin?
Zitat Ein Gesetz tut noch mehr; es übt Zwang aus. Niemand will zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden, deshalb steigt die Renitenz gegenüber jeder Ordnung mit der Anzahl an Gesetzen.
Offen gesagt ist meine Renitenz gegenüber Mitmenschen, die mir ihre Weltanschauung und ihre Vorstellung vom "richtigen" Leben ganz ohne gesetzgeberische Legitimation aufzwingen wollen, auch ziemlich stark ausgeprägt.
Zitat Enstmals in Stein gemeißelte Normen sind angekratzt worden. weil aus der geschlossenen deutschen Gesellschaft eine offene wurde. Verbote fielen und und es gab mehr Freiheit.
Ja, und daran gibt es auch gar nichts auszusetzen.
Zitat Es gibt keine Deutungshoheit über den gesunden Menschenverstand, oder besser nicht mehr. Das nennt sich ja dann auch bezeichnender Weise, gesundes Volksempfinden. ... Es geht mir nicht darum was legitimer ist, sondern was eine Bürgergesellschaft zu leisten imstande ist und was der Gesetzgeber.
Das ist ja genau der Punkt. Theoretisch bin ich völlig einer Meinung mit Ihnen, dass Vernunft und Empathie viele Gesetze überflüssig machen würden. Aber diese Eigenschaften schlagen beim Menschen halt nur manchmal durch. Häufig gewinnen Egoismus und der Unwille, über den eigenen Tellerrand hinwegzuschauen, die Oberhand. Mit vorbildlichen Menschen wäre die Bürgergesellschaft, wie Sie sie im Sinn haben, ohne weiteres zu realisieren. Mit Menschen, wie sie einem im Alltag begegnen, wohl weniger. Da es, wie Sie richtig feststellen, für den gesunden Menschenverstand keinen verbindlichen Maßstab gibt, ist er als normative Kategorie unbrauchbar. Jeder kann für seine Position den gesunden Menschenverstand reklamieren. Und dadurch die Ansicht des anderen diskreditieren.
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