Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #71 Wenn jemand unbedingt in einer alternativen Siedlung wohnen will, ohne auch nur im Entferntesten deren Satzung und Ziele zu respektieren, sehe ich keinen Unterschied zu demjenigen der neben eine Landebahn zieht um ein Nachtflugverbot durchzusetzen oder über einen Club um seine Schließung zu erwirken.
Ich sprach von einem ganz normalen Wohnviertel, in das jeder Bürger in Ausübung seines Freizügigkeitsgrundrechts ziehen darf; in dem aber zufällig eine Mehrheit von Alternativen lebt. Wenn es da eine (ungeschriebene) Satzung gibt, sehe ich nicht, wie unser Zuzügler durch ein Gesetz mehr benachteiligt sein könnte. Er muss sich so und so der Fremdherrschaft beugen, nur dass er im Fall eines Gesetzes wenigstens alle paar Jahre ein bisschen mitbestimmen kann, wer diese Herrschaft ausübt.
Und der von mir geschilderte Fall entspricht mitnichten Ihren Vergleichsbeispielen: Der Flughafen-Neuanrainer oder der Club-Nachbar wollen einem anderen etwas verbieten. Unser Festbeleuchter will seinen Mitbürgern keineswegs untersagen, im Schein einer Kerze oder einer schwachen Energiesparlampe ein veganes Mahl zu sich zu nehmen und dabei über Möglichkeiten zur Reduktion ihres CO2-Fußabdrucks zu diskutieren. Er möchte lediglich sein Haus dekorieren.
Ihr Modell scheint mir im Endeffekt auf die Etablierung räumlich voneinander abgeschotteter Parallelgesellschaften hinauszulaufen. Aus der offenen Gesellschaft würden dann viele geschlossene.
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Zitat von Noricus im Beitrag #66 Da möchte ich widersprechen: Diktaturen haben - was die geschriebenen Gesetze betrifft - oft keine höhere Regelungsdichte als rechtsstaatliche Demokratien europäischen Zuschnitts. Der Druck wird gerade dadurch aufgebaut, dass z.B. die Mitgliedschaft in gewissen Organisationen erwartet wird und die Nichtmitgliedschaft wirtschaftliche Nachteile zeitigt. Aber dies geschieht in einem rechtsfreien, nämlich just im gesellschaftlichen Raum. In den Gesetzen steht davon meistens nichts.
Da habe ich ganz andere Erfahrungen gemacht. Kennen Sie den Ausdruck "Gummiparagraphen"? Es gibt in Diktaturen keine Rechtssicherheit, es herrscht Willkür und Angst. In irgendwelche Organisationen geht man dann, weil man Karriere machen will, nicht weil man da rein muss.
Nichts anderes habe ich geschrieben. Diktaturen erzeugen in aller Regel nicht mehr Gesetze als demokratisch-rechtsstaatliche Systeme. Sie wenden diese Gesetze jedoch nach Gutdünken an, verweigern ihren Bürgern den nötigen Rechtsschutz und schaffen außerhalb des Rechts, also im gesellschaftlichen Bereich, gewisse Sachzwänge. Da steht dann nicht im Gesetz, dass man in der staatlichen/parteilichen Jugendorganisation sein muss, wenn man einen Studienplatz haben will. Aber der Bewerber ohne Organisationsmitgliedschaft wird schlechterdings nicht zum Studium zugelassen.
Der Zugriff auf den Bürger und die Absicherung der eigenen Herrschaft erfolgen also nicht dadurch, dass man tonnenweise Gesetze erlässt, die dann aber nach rechtsstaatlichen Maximen vollzogen werden. Sondern man beugt das Recht und schafft außerrechtliche Zwänge.
Zitat Ich ziehe es vor nicht auf das Verhalten anderer abzustellen, sondern für die Respektierung meiner Interessen zu werben.
Und was machen Sie, wenn den Gesprächspartner Ihre Interessen kein bisschen kümmern, weil er (und eine reale oder gefühlte Mehrheit hinter ihm) von Ihnen erwartet, dass Sie sich anpassen und mit den Wölfen heulen? Wie sollen Interessenkonflikte gelöst werden, wenn keiner von beiden nachgeben möchte?
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Zitat von Noricus im Beitrag #66 Offen gesagt ist meine Renitenz gegenüber Mitmenschen, die mir ihre Weltanschauung und ihre Vorstellung vom "richtigen" Leben ganz ohne gesetzgeberische Legitimation aufzwingen wollen, auch ziemlich stark ausgeprägt.
Und wenn die das dann in Gesetzesform gießen, nimmt die wieder ab?
Nein, dann habe ich aber die Möglichkeit, gegen dieses Gesetz den Rechtsweg zu beschreiten und evtl. mit Genuugtung zu sehen, wie es in Karlsruhe makuliert wird. Im Öko-Viertel habe ich ja offenbar nur die Optionen "mitmachen" oder "wegziehen".
Zitat Und ich denke in den meisten Fällen erreicht man mit einer positiven Grundannahme den Anderen betreffend mehr, als mit einem ständigen Ausbau staatlichen Handelns.
Es ist durchaus richtig, dass man es zunächst im Guten, mit einem Gespräch probiert. Nur - es gibt Situationen und Themen, bei denen die Leute durchs Reden einfach nicht zusammenkommen. Dann gibt entweder der eine komplett nach, weil ihm die Sache nicht so wichtig ist, oder es entspinnt sich eine kleine Fehde. Wo es ein Gesetz und einen Rechtsweg gibt, kann dieser beschritten werden. Im ungeregelten gesellschaftlichen Bereich gibt es hingegen keine standardisierten Streitbeilegungsmechanismen. Da wird es dann wohl letztlich zum Faustrecht kommen, wenn keiner zurückstecken will.
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