Zitat von ratloser im Beitrag #9 Dass die Stimme eines hauptberuflichen HIV-Empfängers, eines religiös tribalistisch geprimeten, die westlich freiheitliche Verfasstheit im Grunde ablehnenden Zuwanderers genauso viel zählt, wie die eines Handwerkers oder mittleren Unternehmers, ist dem Ideal der Demokratie entsprechend...aber nicht der Natur des Menschen.
Die Natur des Menschen, lieber Ratloser, legt gewiß nicht fest, welches das beste politische System ist.
Es ist nun einmal die Natur des Menschen, daß sein Sozialverhalten nur sehr begrenzt genetisch festgelegt ist. Die seltsame Laune der Evolution, die den Homo Sapiens hervorgebracht hat, besteht just darin, Vieles von dem, was jede andere Spezies - bis hin zu den anderen Primaten - als genetisch festgelegte Verhaltensmuster besitzt, beim Menschen beseitigt, zumindest inhibiert zu haben. Ersetzt durch eine bei allen anderen Spezies unerreichte Lernfähigkeit und Fähigkeit, mit internen Repräsentationen zu hantieren; statt mit realen Dingen.
Wohin das führen wird, ist völlig offen. Die kulturelle Evolution hat den Charakter exponentiellen Wachstums angenommen. Oder sagen wir vorsichtiger: exponentieller Veränderungen. Das Verhalten, die Gesellschaft und natürlich die Technik sind 2012 von, sagen wir, 1712 verschiedener, als 1812 von 312 gewesen ist.
Ob das die Natur des Menschen durchhält, wissen wir nicht. Die "moderne Gesellschaft" stellt nahezu alles in Frage, was bisher die Kulturen stabilisiert hat - Geschlechterrollen, Klassen, die gemeinsame Religion, das Akzeptieren von Herrschaft. Sie hat damit eine ungeheure Dynamik entwickelt; sie hat das Leben der Menschen in einem Maß verbessert, das man sich noch vor wenigen Jahrhunderten nicht hätte vorstellen können.
Dazu gehört neben dem Kapitalismus das demokratische politische System. Gemeinsam haben sie diese Dynamik freigesetzt. Die Kommunisten glaubten, auf beide verzichten zu können und dennoch ein vergleichbare Dynamikt zu entfalten. Sie sind gescheitert. Die islamischen Staaten sind immer weiter zurückgefallen, weil sie diese Dynamik nicht entfalten konnten. Auch sie werden Kapitalismus und Demokratie brauchen.
Das ist alles sehr unbestimmt, sehr offen, lieber Ratloser. Ich habe mich über die Jahrzente mit allen diesen Autoren befaßt, die meinten, die Zukunft zu kennen, - gerade auch mit Tocequeville -, und mein vorläufiges Fazit ist: Wir wissen es nicht.
Das Experiment der Moderne kann gelingen. Es kann scheitern, wie es die Kulturpessimisten prophezeien. Sie wissen es nicht besser als Marx, der größte dieser sich selbst Überschätzenden, die glauben, in die Zukunft blicken zu können.
Zum Kapitalismus gibt es derzeit keine Alternative. Zum demokratischen Rechtsstaat erst recht nicht; welches andere politische System sollte denn eine vergleichbare Dynamik und Fähigkeit zur ständigen Veränderung entwickeln?
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