Zitat von Liebling nicht jetzt im Beitrag #3Wer sagt denn das Sinn Recht hat? Keiner kann absehen was für Folgen ein Austritt Griechenlands und eventuell weiterer Staaten wzB Portugal aus der Eurozone tatsächlich haben würde. Das ganze Thema Eurokrise ist weitaus komplexer als die ökonomischen Gesichtspunkte, die Sinn beleuchtet. Viel interessanter finde ich die Frage, wie so ein Austritt in die Praxis umgesetzt werden soll, von einem "vorübergehenden Austritt" ganz zu schweigen.
das passiert immer wieder mal, aktuell zB in der Türkei und bis vor kurzem wurde Brasilien in die Höhe geboten (dort dreht sich der Kapitalfluß gerade, d.h. seit Rousseff's Amtsantritt flieht das Investorenkapital wieder).
Die Löhne in Griechenland sind von 1999 bis 2009 um 60% gestiegen, in Deutschland gleichgeblieben. Die Produktivität ist aber in Deutschland und Griechenland ungefähr gleich viel gestiegen. Ergebnis: Griechenland ist nicht mehr "wettbewerbsfähig". Normalerweise müsste die Drachme ggü. der DM bloß 50% abwerten und gut ist es. So wie früher, wo Lira, Peseta und Drachme auch regelmäßig abgewertet haben.
Ursache dafür sind vor allem die in diesen Länden stärkeren Gewerkschaften, die hohe Lohnsteigerungen durchsetzen können während sich die deutschen Gewerkschaften mit dem Schröder-Deal 1998 selbst kastriert haben. Mit dem Euro ist der Weg der Abwertung allerdings versperrt.
Was man jetzt versucht, ist eine sog. interne Abwertung. Löhne sinken aber kaum von alleine. Eine Abwertung von 50% würde alle in einer ausländischen Währung denominierten inländischen Löhne über Nacht halbieren. Tatsächlich sind die Lohnstückkosten in Griechenland seit 2009 gerade mal um 10% gefallen: http://thenextrecession.files.wordpress....png?w=450&h=260 d.h. man hat ggü. Deutschland erst 1/3 des Weges geschafft. Daß die Löhne von alleine kaum sinken, hat Keynes als erster unter dem Titel "Lohnrigidität" subsumiert bzw. Rigiditäten allgemein, heute auch als nominal downward wage rigidity bezeichnet. Wirklich Einfluß hat der Staat ja nur auf seine eigenen Löhne und die hat Griechenland auch heftig gesenkt. In der Privatwirtschaft gibt es aber eine Menge Firmen, die noch immer Gewinne machen und die senken ihre Löhne überhaupt nicht. Dann haben wir gleichzeitig immer mehr Arbeitslose, die zwar auch für weniger Geld arbeiten würden, aber nicht für weniger Geld eingestellt werden, weil das Friktionen mit der Altbelegschaft hervorruft. Man hat das in Deutschland etwa mit VW gesehen, die Stammbelegschaft verdient 3000€, Zeitarbeiter nur 2000€ - macht böses Blut und die Gewerkschaften setzen am Ende gleichen Lohn für alle durch. Die Löhne runterzubekommen geht also nur über Insolvenzen und Neugründungen und das dauert innerhalb des Euro vielleicht 10 Jahre dauert, was außerhalb des Euro wenige Monate gebraucht hätte. Oder sogar nur wenige Wochen.
Aber austreten ist auch nicht so trivial. Weniger für Griechenland, die hätten das vielleicht schon längst wollen, aber nicht für den Rest der Eurozone. Das Problem des Euro-Austritts ist die selbsterfüllende Prophezeihung, die man damit gibt: sobald es ruchbar wird, daß ein Land aus dem Euro ausscheiden könnte, stirbt dieses Land ökonomisch. Niemand will dort mehr investieren, die eigenen Bürger ziehen Spareinlagen ab und transferieren sie ins Ausland - oder fliehen gleich selbst. Das wussten die Gründer des Euro und daher haben sie bestimmt, daß:
Zitat Gleichzeitig vereinbarten die Finanzminister der Mitgliedstaaten, die die einheitliche Währung einführten, gemeinsam mit den Präsidenten der nationalen Zentralbanken dieser Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission und dem EWI, die aktuellen bilateralen Leitkurse der Währungen der am WKM II teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Bestimmung der unwiderruflichen Umrechnungskurse für den Euro zu verwenden.
die Unwiderruflichkeit der Währungsunion steht seit ~2009/2010 in Frage, vor allem seitens der Deutschen. Solange darüber diskutiert wird, solange besteht die Eurokrise, denn sobald irgendwo auch nur der Hauch einer wirtschaftlichen Schwäche eines Eurolandes ruchbar wird, dann geht die Spekulation gegen dieses Land mit Abzug von Anlagekapital los. Länder mit einer eigenen Währung und einer eigenen Notenbank können Kapitalflucht ausgleichen, die Euroländer allerdings nicht:
Zitat a country with its own currency, like Britain, can short-circuit this process: if necessary, the Bank of England can step in to buy government debt with newly created money. This might lead to inflation (although even that is doubtful when the economy is depressed), but inflation poses a much smaller threat to investors than outright default. Spain and Italy, however, have adopted the euro and no longer have their own currencies. As a result, the threat of a self-fulfilling crisis is very real — and interest rates on Spanish and Italian debt are more than twice the rate on British debt.
um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: was passiert steht und fällt mit der Reaktion der EZB. Wenn die EZB von Anfang an so reagiert hätte wie die FED, die SNB, die BOE, die RBA, die BOJ oder jede andere Notenbank auf der Erde, nämlich für die Bonität der Staatsanleihen zu garantieren, dann wäre es nie zur Eurokrise gekommen. Man nehme an, ein Spekulant würde darauf wetten, daß Großbritannien zahlungsunfähig wird und tätigt Leerverkäufe von Gilts, ungefähr so wie Spekulanten in 2010 Staatsanleihen von Griechenland leer verkauft haben, dann würde die BOE alle diese Gilts aufkaufen und die Reaktion wäre Null, der Staat weiterhin problemlos kreditwürdig. Genauso wie die SNB seit Anfang September 2011 eine standing order zum Ankauf von EUR iHv 1,2 zum CHF im Markt platziert hat. Die SNB kauft unendliche Mengen von EUR und daher wurde der Kurs von 1,2 auch bis heute nie unterschritten. Und daher zahlt der britische Staat bis heute niedrige Zinsen, trotz schlechterer Wirtschaftsentwicklung als Spanien. Und auch Griechenland würde heute vielleicht nur 1% auf 5jährige zahlen, wenn die EZB eine unlimitierte Ankaufspolitik umgesetzt hätte. Tatsächlich hat man sich bei der EZB aber gute 3 Jahre Zeit gelassen, um wenigstens im Ansatz eine derartige Aufkaufspolitik immerhin anzukündigen.
Ohne Transferunion funktioniert keine gemeinsame Währung. Alle Währungsräume (fast 100% davon sind gleichzeitig Staaten) haben einen fiskalischen Ausgleichsmechanismus. Ein Ausgleich über die Notenbank ist ein Novum, aber auch das ist eine denkbare Option. "Finanzminister Draghi" würde ich diese übertiteln.
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