Zitat von Doeding im Beitrag #6Ganz ehrlich, ich habe den Artikel auf Zeit Online nicht verstanden. Mehr noch, ich hatte beim Lesen den Eindruck, daß die Autoren am Ende weitschweifig für sich behalten haben, was sie eigentlich und überhaupt hatten sagen wollen.
Sie schreiben einen zierlichen, aus meiner Sicht aber durchaus amüsanten Stil. Wie bei allen, die so schreiben - ich erwähne immer wieder einmal gern Adorno -, kann man den Text erheblich eindampfen, ohne daß Inhalt verlorengeht. Hier scheint er mir in diesen vier Behauptungen zu bestehen:
1. Kinder, die PC erzogen werden, toben sich außerhalb des Elternhauses erste recht lustvoll-narzißtisch aus.
2. Die Eltern empfinden das als eine narzißstische Kränkung.
3. Der Ruf nach PC ist wesentlich dem Narzißmus derer geschuldet, die ihn ertönen lassen. Sie möchten nämlich mehr zur Geltung kommen.
4. PC wiederum empfinden desse Kritiker als narzißtische Kränkung; nämlich Bedrohung ihres Gefühls der Überlegenheit.
Das isses dann auch schon. Ziemlich viel Narzißmus. Der Rest ist Art Déco à l'Ancienne.
Zitat von Doeding im Beitrag #6Leider geht der gesellschaftliche Veränderungsanspruch mancher Psychologisierer wohl tatsächlich auf S. Freud zurück, der sich, und das sollte man ihm im Kontext seiner Zeit auch nicht absprechen, als Befreier in der Tradition der Aufklärung gesehen haben wird und aus seinen "gesamtgesellschaftlichen Ambitionen" nie einen Hehl gemacht hat.
Ja, er sah sich als Aufklärer; und er war es ja in gewisser Weise auch.
Seine Therapie war - nachdem er die Hypnose und die Karthasis-Theorie der "Studien über Hysterie" hinter sich gelassen hatte - eine auf Auklärung des Patienten über sich selbst gerichtete Therapie. "Wo Es war, soll Ich werden". "Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe" als Metapher für die "Psychoanalytische Kur".
Aus meiner Sicht ist hinsichtlich dieser aufklärerischen Absicht von den modernen Therapien die Rational-Emotive Therapie von Albert Ellis, die Sie ja schon gelegentlich erwähnt haben, der Analyse am ähnlichsten. Vom Ziel her, nicht der Methode.
Zweitens hatte Freud ja die sokratische Absicht, uns Menschen über uns selbst aufzuklären. Kopernikus, hat er sinngemäß geschrieben, hat den Menschen aus dem Mittelpunkt der Welt genommen. Darwin hat ihn in die Tierreihe gestellt. Und jetzt zeigt er, Freud, daß das Ich nicht "Herr im eigenen Haus" ist. Die dritte Kränkung.
Also, ich sehe das auch so, daß Freud sich zuvorderst als Aufklärer verstanden hat. Was das Gesellschaftliche angeht, scheint mir seine Position sehr differenziert zu sein.
Ein Gesellschaftsveränderer war er gewiß nicht. Er sah in der Gesellschaft vor allem eine Institution, die Triebverzicht erzwingt. Das hat ihn immer wieder beschäftigt; von den komplizierten Tabus der australischen Ureinwohner in "Totem und Tabu" bis in "Das Unbehagen in der Kultur".
Anders als dann die Freudomarxisten, als Adler oder gar Reich glaubte Freud, soweit ich sehe, nicht an eine "bessere Gesellschaft". Er wollte als Arzt den einzelnen Patienten heilen, nicht die Gesellschaft.
Er wollte - so ähnlich hat er es einmal formuliert - das Leid des Neurotikers so weit lindern, daß es nur noch das allgemeine Leid des zivilisierten Menschen ist, dem die Zivilisation nun einmal Triebverzicht abverlangt.
Ich habe vor Jahren einmal eine kleine Serie über Freud schreiben wollen, die aber (Widerstand? ) nicht über die erste Folge hinausgekommen ist. Vielleicht sollte ich sie doch noch aufgreifen.
Später habe ich mich in einer dreiteiligen Serie nur mit einem Aspekt der Psychoanalyse befaßt; der Theorie der Fehlleistungen.
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