Vielen Dank für die ausführliche Antwort, lieber Zettel. Zwei kurze Anmerkungen noch.
Zitat Aus meiner Sicht ist hinsichtlich dieser aufklärerischen Absicht von den modernen Therapien die Rational-Emotive Therapie von Albert Ellis, die Sie ja schon gelegentlich erwähnt haben, der Analyse am ähnlichsten. Vom Ziel her, nicht der Methode.
Damit haben Sie natürlich recht. Ich vermute, Sie wissen es bereits: Ellis war als junger Mann zunächst Psychoanalytiker und hat auch einige Jahre als solcher praktiziert, übrigens genau wie Aaron Beck, der andere "große" kognitive Therapeut. Beide haben sich in den 50ern, etwa zeitgleich, aber unabhängig voneinander, enttäuscht von der Analyse abgewandt. Ellis hat aber immer für sich reklamiert, daß sein Ansatz, im eigentlichen Wortsinne "tiefenpsychologisch" sei, aber eben mit Blick auf tiefe, handlungsleitende Überzeugungen.
Zitat Zweitens hatte Freud ja die sokratische Absicht, uns Menschen über uns selbst aufzuklären.
Auch dies ein verbindenes Moment zwischen beiden Ansätzen, wie mir scheint. Aber wie Sie schreiben, methodisch äußerst unterschiedlich. "Sokratischer Dialog" oder "geleitetes Entdecken", wie bei Ellis oder Beck, war Freuds Sache freilich nicht. Mir persönlich steht der Ansatz Ellis`, auch wegen seiner z. T. sehr eleganten Bezüge zur stoischen Philosophie, sehr nahe.
Zitat Anders als dann die Freudomarxisten, als Adler oder gar Reich glaubte Freud, soweit ich sehe, nicht an eine "bessere Gesellschaft". Er wollte als Arzt den einzelnen Patienten heilen, nicht die Gesellschaft.
Da haben Sie wohl ebenfalls recht (hab nochmal kurz recherchiert). Das ist, wieder einmal, die Ungnade der späten Geburt in meinem Fall: mein Freudbild ist wohl nicht so unabhängig von seiner Rezeption durch die 68er wie ich es mir wünschen würde. Er wurde und wird halt doch sehr vereinnahmt, womit wir wieder beim unerfreulichen Ausgangsthema wären.
Herzlichen Gruß, Andreas Döding
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