Zitat von Zettel im Beitrag #31
Zitat von Noricus im Beitrag #30
Zitat von Zettel im Beitrag #29 Es besteht also nicht der Hauch einer Wahrscheinlichkeit dafür, daß in Deutschland der demokratische Rechtsstaat in Gefahr sein könnte.
Da stimme ich Ihnen zu, lieber Zettel. Meines Erachtens droht die Gefahr einer zunehmenden Unfreiheit weniger vom Staat als von der Gesellschaft. Es ist ja leider so, dass das ökolinke Denken in Multiplikatorenkreisen (Journalisten, Schul- und Hochschullehrer e tutti quanti) ziemlich stark vertreten ist. Wer etwas Unbotmäßiges sagt und tut, wird nicht vom Richter, sondern von der veröffentlichten Meinung bestraft. Für den Delinquenten ist Letzteres vielleicht sogar noch schlimmer, da keine Rechtsbehelfe bestehen (die Einschaltung des Presserats ist ja noch nicht einmal soft law) und keine Resozialisierung vorgesehen ist.
Ich persönlich fürchte, dass wir auf eine bleierne Zeit zusteuern, in der rechtlich viel mehr zulässig ist, als gesellschaftlich toleriert wird.
Das ist auch meine Meinung und also meine Sorge, lieber Noricus.
Aber solange der demokratische Rechtsstaat nicht in Gefahr ist, sind solche gesellschaftlichen Trends ja reversibel. Es hat immer - nicht nur in der Bundesrepublik - freiheitliche Phasen und Phasen mit größerer gesellschaftlicher Kontrolle gegeben.
Wir hatten eine freiheitliche, eine teilweise äußerst freiheitliche Epoche in den siebziger und achtziger Jahren. Damals wurden Gesetze reihenweise abgemildert, wenn nicht gar gestrichen. Die Überzeugung war allgemein verbreitet, daß jeder das Recht hat, zu glauben, was er will, und sich seinen Lebensstil frei auszusuchen.
Zuvor, in der Adenauerzeit, hatte es ein großes Maß an gesellschaftlicher Kontrolle gegeben. Allerdings ließ sie Abweichung und Opposition zu. Es gab die Gruppe 47, die "Linksintellektuellen", die weitgehend den Kulturbetrieb beherrschten. Es gab die Macht der Gewerkschaften. Es gab SPD-regierte Länder wie Hessen, in das Arno Schmidt flüchtete, als er in Rheinland-Pfaluz wegen "Pornographie und Gotteslästerung" vor Gericht gestellt werden sollte und eine mehrjährige Gefängnisstrafe fürchtete.
Aber das waren Nischen. Das gesellschaftliche Denken wurde weitgehend beherrscht von christlich-konservativen Positionen. Kindern wurde das in Konfessionsschulen eingeimpft, die in vielen Ländern als einzige Grundschulen existierten. Was im Kino gezeigt, was auf dem Theater gespielt werden durfte, wurde gesellschaftlich kontrolliert.
Dennoch lebten wir in einem demokratischen Rechtsstaat; einem, der das Potential hatte, sich ab Mitte der sechziger Jahre radikal zu wandeln.
Ähnlich sehe ich die heutige Situation. Die Linken, die in den siebziger und achtziger Jahren für mehr Freiheit eingetreten waren, sind heute überwiegend Gegner der Freiheit. In der Adenauerzeit sollten alle sich nach einer konservativ-christlichen Moral verhalten, ob sie wollten oder nicht. Heute wird dasselbe für die Klimareligion, für den Gesundheitswahn, für den ganzen Muff ökologischer Moralisiererei verlangt. Das Indoktrinieren der Kinder auf der Grundschule dürfte inzwischen das Niveau der Adenauerzeit erreicht haben; nur eben mit anderen Inhalten.
Auch das wird dieser demokratische Rechtsstaat überstehen. Das Pendel wird wieder in Richtung auf mehr Freiheit schwingen. Wäre ich davon nicht überzeugt, dann würde ich ZR nicht schreiben.
Für ein Rückschwingen des Pendels muß die liberale Opposition intakt bleiben, so wie damals die linke. Das ist ja auch so. In der "Welt" beispielsweise schreiben Autoren wie Broder, Herzinger, Cora Stephan. In der FAZ, im "Handelsblatt" gibt es ausgezeichnete liberale Autoren. Das wird auch wieder mehrheitsfähig werden; davon bin ich überzeugt. Auch die FDP wird aus ihrer jetzigen Schwächeperiode wieder herausfinden.
Leider scheinen manche Leser von ZR meine Kritik an dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Trend mit einer Kritik an unserem demokratischen Rechtsstaat zu verwechseln. Immer wieder finden sich hier im Forum Leute ein, die diesem Staat feindselig gegenüberstehen, die ihn durch Vergleiche mit totalitären Diktaturen verunglimpfen, die Schlüsselbegriffe der extremen Rechten wie "Blockparteien", "Gleichschaltung" und "EUdSSR" verwenden, die zu rechtsextremen Seiten verlinken, die Haß auf den Islam erkennen lassen.
Sie haben in diesem Forum nichts zu suchen. Eigentlich sollte das inzwischen klar sein; aber es wird leider immer wieder versucht, hier mit derartigen Beiträgen Fuß zu fassen.
Das wird unterbunden. Wer solche Meinungen äußern möchte, der findet genug andere Foren und Kommentarspalten, in denen er damit willkommen ist.
Wir würden einander übrigens viel Ärger ersparen, wenn diejenigen, die nicht in dieses liberale Forum passen, das selbst einsehen und mich beauftragen würden, ihre Mitgliedschaft zu beenden.
Sehr geehrter Zettel,
so sehr ich ihnen ja in der Regel zustimme, auch darin, dass aktuell und auf kurzfristige Sicht der Rechtsstaat nicht in Gefahr ist, so sehr möchte auch ich (wie auch schon einige andere hier) ihnen bezüglich der mittel- bis langfristigen Entwicklung widersprechen.
Ich zietiere dazu einmal Noricus
Zitat
Da stimme ich Ihnen zu, lieber Zettel. Meines Erachtens droht die Gefahr einer zunehmenden Unfreiheit weniger vom Staat als von der Gesellschaft. Es ist ja leider so, dass das ökolinke Denken in Multiplikatorenkreisen (Journalisten, Schul- und Hochschullehrer e tutti quanti) ziemlich stark vertreten ist. Wer etwas Unbotmäßiges sagt und tut, wird nicht vom Richter, sondern von der veröffentlichten Meinung bestraft. Für den Delinquenten ist Letzteres vielleicht sogar noch schlimmer, da keine Rechtsbehelfe bestehen (die Einschaltung des Presserats ist ja noch nicht einmal soft law) und keine Resozialisierung vorgesehen ist.
Ich stimme Noricus da in jedem Wort zu. Aber was sind die Auswirkungen wenn ein solches gesellschaftliches Klima allzu lange anhält? Kann das wirklich auch am Beamtenapperat vorbeigehen? Wenn gesellschaftlich bestimmte Maßnahmen akzeptiert sind, obwohl sie gegen das Gesetz verstoßen, solange sie nur der "guten Sache" dienen, wird diese Haltung nicht auch irgendwann den Staatsaperat durchdringen, solange diese gesellschaftliche Haltung nur lange die Gesellschaft prägt?
Wie stabil ein Staat ist, insbesondere als Rechtsstaat, wenn die große Mehrheit nicht nur an politische Esoterik und Heilsversprechen glaubt, sondern sich diesen auch noch stärker verpflichtet fühlen als der verfassungsmäßigen Ordnung, erkennt man zum Beispiel in lateinamerikanischen Staaten, aber auch in vielen anderen Regionen dieser Welt.
Um mich verständlicher zu machen, damit meine Aussagen nicht missverstanden werden, aber auch damit sie vielleicht auch Sie überzeugen:
Zitat
Es ist ja leider so, dass das ökolinke Denken in Multiplikatorenkreisen (Journalisten, Schul- und Hochschullehrer e tutti quanti) ziemlich stark vertreten ist.
Wieso sollten ausgerechnet die rechtswissenschaftlichen Fakultäten von dieser Unterwanderung durch links-grüne (eventuel links-grün-völkische) Multiplikatoren, welche die demokratishen Grundlagen zum grünen Konsens uminterpretieren (von dem niemand auch nur in Gedanken nennenswert abweichen darf), verschont bleiben?
Hier schützt doch nur die Ernennung der Richter auf Lebenszeit und die auch dadurch gewährleistete Schwerfälligkeit des Justizbetriebes. Umgekehrt werden entprechend ideologisierte Jursiten noch für eine lange Nachwirkung des grünroten Zeitgeistes sorgen, selbst wenn er wieder vergehen sollte. Eine Nachwirkung, die marginal seien kann, aber auch sehr große Ausmaße einzunehmen in der Lage ist, abhängig von der Dauer des einwirkenden Zeitgeistes.
Und im übrigen sorgt mich gerade auch ganz abstrakt dieser genuin deutscher Hang zur Stromlinienförmigkeit. Ich bin mir ziemlich sicher, das ich mir den nicht nur einbilde, sondern die deutsche Gesellschaft tatsächlich im Vergleich zur angelsächsischen und anderen westlichen Kulturen tatsächlich sehr auf die Etablierung eines Konsens ausgerichtet ist, während Widerspruch in die innere Immigration geht. Der Zeitgeist muss nicht unbedingt grün-rot sein, dass ist nur die konkrete, aktuelle Ausprägung. Er kann auch jederzeit in eine andere Richtung umschwingen. Wenn das eine stark rechte Richtung seien sollte, so beruhigt mich das keinesfalls. Mich beunruhigt diese grundlegende, abstrakte Mentalität zum Einheitsdenken in der veröffentlichten Meinung. Mich beunruhigt diese abstrakte Wesenseigenschaft, die scheinbar in der deutschen, kulturellen Veranlagung enthalten ist (*).
Nicht zufällig hat sich das deutsche Wort "Zeitgeist" auch im englischsprachigen Raum zur Beschreibung dieses Phänomens durchgesetzt. Gerade in Deutschland ist der Einfluss eines Zeitgeistes und die Durchdringung der Gesellschaft und des Denkens durch selbigen scheinbar besonders stark. Natürlich gibt es auch in anderen Ländern zeitgeistabhängige Strömungen und Entwicklungen. Aber in Deutschland sind schnell die "Multiplikatoren" vom Zeitgeist wie besessen.
Nachtrag zu (*): Also nicht den Genen, sondern in den deutschen Memen.
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