Zitat von Tiefseetaucher Die drei Vorfälle, die Sie jedem Beamten zugestehen wollen,
Diese Aussage war auf Ihr "Once is happenstance. Twice is coincidence. Three times, it's enemy action" bezogen, was ich mir damit aber keineswegs zu eigen machen wollte. Insofern nein, ich will niemandem etwas zugestehen. Gleichwohl: die Richterin, von der Sie schreiben, scheint sich ja wirklich ausgesprochen borniert verhalten zu haben.
Sowohl Ihre als auch die Kritik von Skorpion hebt ja z. T. auf das Thema "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" ab. Hierzu möchte ich noch kurz was schreiben. Sie haben damit recht. Und wir sind selber schuld daran und haben es auch nicht besser verdient.
Warum?
Es gibt in Deutschland, und nicht nur hier, einen eklatanten kulturellen Mangel im Umgang mit Fehlern. Sozusagen einen Meta-Systemfehler-Fehler. Nehmen wir die leidige Debatte um "Ärztepfusch". Wenn Ärzte Fehler machen (hier arbeitsdefinitorisch als Handlung mir nichtbeabsichtigten schädlichen Folgen gemeint), dann verhalten sie sich absolut rational und klug, wenn sie diesen vertuschen. Und daß die Kollegen dabei mitmachen, ist reziprok-altruistisch ("ich könnte schließlich auch mal Bockmist bauen") und somit wiederum rational und klug. Warum sollte man an der Aufklärung und Analyse eines individuellen oder gar systematischen Fehlers mithelfen, diesen auch nur zugeben, wenn die Konsequenzen erwartbar existenzvernichtend (Verlust der Zulassung, Verlust jeglicher Reputation, Stigmatisierung, Entzug der wirtschaftlichen Grundlage) wären?
Der Umgang mit Fehlern ist hierzulande durch philosophisch und logisch absurde Forderungen und Bestrafungswünsche gekennzeichnet: "xy hätte wissen müssen, Fehler yz hätte nicht passieren dürfen usw, was einer Forderung nach hellseherischen Fähigkeiten auf seiten des Fehlermachenden impliziert. Oder wahlweise auch das Vorhandensein einer Zeitmaschine, nämlich wenn man fordert, daß der Fehlermachende vor dem Fehler bereits nach Einsichten hätte handeln sollen, die er logischerweise erst nach dem Fehler gewonnen hat. Sonst hätte er den Fehler ja eben nicht gemacht. Wie auch immer, man erreicht damit nicht das Wünschenswerte, nämlich daß aus Fehlern gelernt wird und sie so tendenziell unwahrscheinlicher werden können, sondern das Gegenteil: mehr Intransparenz, Vertuschung und Tradierung von Fehlern sowie Zementierung ihrer schädlichen Folgen.
Eine Lösung läge, so kontraintuitiv das auf den ersten Blick erscheint, in einer größeren Fehlertoleranz, die wiederum Voraussetzung ist für mehr Fehlertransparenz. Persönliche Konsequenzen, die ich eingeschränkt befürworte, dürften zwar unangenehm aber keinesfalls existenzbedrohend sein, müßten dafür aber schnell, kurze Zeit nach dem Fehler, wirksam werden (und nicht, wie in der heutigen Vertuschungskultur, oft erst nach Jahren). Dann hätte man verbesserte Möglichkeiten, Fehler und ihre ggf. auch systematischen Quellen zu erfassen, um daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.
Qualitätsmanagementsysteme (ich habe einige Jahre lang in einem Qualitätszirkel zur Implementierung von DIN ISO 9001 mitgearbeitet) versuchen das ansatzweise. Die enormen organisationalen und individuellen Widerstände, die ich damals erlebt habe, hatten mMn u. a. damit zu tun, daß die Menschen sich enorm schwer tun, solche Weltbilder zu hinterfragen.
Dies alles gilt natürlich nur für Fehler, nicht für Vorsatz. Wie bei allen Grauzonen, so ist es auch bei der Grauzone "Fahrlässigkeit" schwer zu bewerten. Ist es "noch" ein Fehler oder "schon" Vorsatz, wenn der alkoholabhängige Chirurg betrunken zur OP erscheint und statt des Fußes den Kopf amputiert?
Behörden, einschließlich der Justiz, bilden hier aus meiner Sicht weder eine Ausnahme noch eine Besonderheit.
Herzliche Grüße, Andreas Döding
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