Zitat von Solus im Beitrag #38 adder: Das heißt Sie wollen den Menschen nicht das Recht zugestehen, an Pseudowissenschaft zu glauben? Und danach zu handeln?
Überhaupt nicht. Jeder kann an was auch immer glauben. Allerdings - und die Gesetzgebung ist auch genauso gefasst - darf er nicht hingehen und andere mit seinem Glauben schädigen. Jeder kann sich also gerne selbst mit was auch immer behandeln wollen. Der Patient macht sich dabei auch nicht strafbar. Der Therapeut hingegen verstößt - wenn er solche unwirksamen Dinge als Heilung ansieht - mit der "Behandlung" gegen geltendes Recht - meiner Meinung nach völlig zu Recht. Ich kann ja auch daran glauben, dass mein Auto absolut sicher ist - wenn ich aber damit jemanden anfahre, muss ich zahlen.
Zitat Wie sieht es aus, wenn jemand etwa Gruppen-Gesundbeten anbieten würde - "Gott heilt alle deine Krankheiten, garantiert. Nur XXX€ für einen Tag.", dergleichen. Sollte man auch verbieten?
Hat ja mein Vorredner schon beantwortet: das ist bereits verboten, da unzulässiges Heilungsversprechen. Wobei: nicht das Gesundbeten selbst, sondern das Heilungsversprechen ist verboten (die Bezahlung dafür verschlimmert nur das Vergehen).
Zitat Mit Liberalität hat das alles irgendwie garnichtsmehr zu tun. Es kann doch nicht der Schaden, den sich jemand freiwillig selbst zufügt, Grund sein, ihm das zu verbieten.
Keiner, wirklich keiner, auch ich nicht und auch nicht unsere derzeitige Gesetzgebung in diesem Bereich, verbietet, dass sich jemand freiwillig selbst Schaden zufügt. Jede Hilfe, die jemand einer anderen Person gewährt, sich selbst zu schaden, und natürlich das Schaden anderer (selbst wenn diese sich freiwillig Schaden wollten), ist hingegen völlig zu Recht verboten. Mit anderen Worten: ich darf mit meinem Auto gegen einen Brückenpfeiler fahren, aber wenn ich jemand anderen auf seinen Wunsch hin überfahre, werde ich bestraft.
Zitat Wo wäre das Problem dabei, einen deutlich sichtbaren Hinweis vorzuschreiben - analog den Hinweisen auf den Zigarettenschachteln - "Wirkung nicht wissenschaftlich nachgewiesen" o.ä.
1) Das Gesetz ist anders. Genaugenommen verbietet dieses alleine schon das Arzneimittelgesetz. Arzneimittel ist ein geschützter Begriff, und Heilungsversprechen dürfen allenfalls bei zugelassenen Arzneimitteln erfolgen - und auch nur soweit das tatsächlich belegbar ist. 2) Arzneimittel sind ein sensibler Bereich. "Wirkung nicht wissenschaftlich nachgewiesen" wäre ja auch eine Lüge. Denn die Wirkung der meisten "alternativen Heilmethoden" ist nicht nur nicht wissenschaftlich nachgewiesen, selbst eine nicht-wissenschaftlichen Maßstäben genügende Beweisführung wurde in den seltensten Fällen erbracht, und in den meisten Fällen ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass es keine positive Wirkung gibt und die schädigenden Wirkungen überwiegen. 3) Ein Gedankenspiel: ich verkaufe Tabletten mit 5g Kaliumzyanid. Auf die schreibe ich drauf "Wirkung nicht wissenschaftlich nachgewiesen, hilft aber gegen Depressionen und Suizidgedanken". Jeder, der die kauft, ist ja selbst schuld. Und die sterben nun reihenweise. Keiner würde hier sagen, dass dieses Vorgehen ok ist - und liberal ist das auch nicht. Gut, Zyankali ist vielleicht ein schlechtes Beispiel, aber wenn ich Injektionen mit Heroin gegen Kopfschmerzen verkaufe, töte ich vielleicht keinen, mache aber viele Leute abhängig - und Heroin ist sogar noch wissenschaftlich nachgewiesen wirksam gegen Schmerzen.
Zitat Will mir einfach nicht in den Kopf, das ganze.
Liberal ist eben nicht anarchistisch. Die völlige Freigabe eines derart sensiblen Marktes ist nicht liberal, sie ist nur gefährlich. Der Vergleich mit dem Rauchen ist grob irreführend: auch unter diesen strikt geregelten Bedingungen sterben Menschen an Arzneimitteln - wenn alles frei wäre, wären es zwar "nur mehr" - aber die Größenordnung wäre richtig miserabel. Als Beispiel für die Probleme eines ungeregelten Arzneimarktes bitte ich mal nach Thalidomid zu schauen, oder sich mal die kranken Zustände in Afrika (>80% Fälschungen) anzusehen.
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