Zitat
Keiner, wirklich keiner, auch ich nicht und auch nicht unsere derzeitige Gesetzgebung in diesem Bereich, verbietet, dass sich jemand freiwillig selbst Schaden zufügt. Jede Hilfe, die jemand einer anderen Person gewährt, sich selbst zu schaden, und natürlich das Schaden anderer (selbst wenn diese sich freiwillig Schaden wollten), ist hingegen völlig zu Recht verboten. Mit anderen Worten: ich darf mit meinem Auto gegen einen Brückenpfeiler fahren, aber wenn ich jemand anderen auf seinen Wunsch hin überfahre, werde ich bestraft.
Lieber adder, bisher konnte ich ihnen Zustimmen, da es um den Spezialfall der Heilungsversprechen ging. Auch ist das direkte Überfahren, da es unmittelbar und zeitlich direkt, gezielt ein Menschenleben beendet, ein Spezialfall.
Aber Grundsätzlich halte ich ein solches Prinzip schon für bedenklich. Wo liegt da die Grenze? Damit haben all die Anti-Raucher-Lobbyisten nun ein weiteres Argument von ihnen geliefert bekommen: Passivraucher würden sich nicht selber schaden, wenn sie in eine Raucherkneipe gehen bzw. das ist egal. Das Verbot wird durch die Schädigung durch die aktiven Raucher legitimiert, egal ob die Nichtraucher in ihrer Umgebung in das Risiko eingewilligt haben.
Warum sollte eigentlich genau das grundsätzlich (also nicht im Spezialfall der Heilsversprechen, die eventuell Notlagen ausnutzen, oder direkter, aktiver Sterbehilfe) Verboten sein?
Ich darf mich selber schädigen, dass gestehen Sie zu. Was ist die informierte Einwilligung ein Risiko zu tragen anderes, als eine weitere Art von Selbstschädigung? Klar, ein zweiter handelt eventuell noch aktiv, aber wenn es mit meiner Zustimmung geschieht, dann ist die Einmischung durch einen dritten doch grundsätzlich (grundsätzlich meint "in der Regel", es gibt einige begründete Ausnahmen) eine noch schwerwiegendere Freiheitseinschränkung, da die Freiheit von zwei Menschen eingeschränkt wird: Zum einen die, des aktiv Handelnden, der mich eventuell schädigen würde, als auch meine, mich schädigen zu lassen.
Spezialfälle:
Heilsversprechen, da hier mehrere problematische Elemente zusammenkommen, wie zum Beispiel besondere Notlagen, besondere emotionale und mentale Geistes- und Bewusstseinszustände, schwerer Überblick über den Stand der Erkenntnis durch einen Laien und mitten drin potentieller Betrug (die wegen der kriminellen Desinformation sowieso die eben gerade nicht informierte Einwilligung grundsätzlich ungültig machen würde), die außerdem das allgemeine Vertrauen in die Heilkunst, auf die man sich im Notfall auch spontant verlassen können muss, ohne erst drei Monate lang nach Hintergrundfinformationen suchen zu müssen, gefährden.
Kanibalismus, da es ein zu großer Zivilisationsbruch wäre, die Zivilisation aber eine notwendige Vorraussetzung für Freiheit ist. Sollte aber nicht als Rutschbahn misbraucht werden, um immer mehr zu einem solchen Extremfall zu erklären. Passivrauchen oder Raucherkneipen sind kein Zivilisationbruch, Kanabis auch nicht, zumindest nicht in Bezug auf die für eine freie Gesellschaft notwendigen zivilisatorischen Vorraussetzungen (man kann natürlich beliebig und willkürlich etwas zur Grundlage der Zivilisation erklären).
Spontane Tötung auf Verlangen und aktive Sterbehilfe ohne längere Bedenkzeit des Hilfesuchenden, da es sich um eine unumkehrbare Handlung handelt, den Tod in einer relativ schnellen Art gezielt herbeizuführen (also nicht bloß das Risiko etwas zu erhöhen, irgendwann mal etwas früher zu sterben als sowieso).
Handlungen, durch die jemand seine Autonomie verlieren würde, sofern dies nicht nur für einen kurzen Zeitraum oder medizinisch zur Rettung von Leben oder Gesundheit notwendig ist, da eine freiheitliche Republik (oder konstitutionelle, parlamentarische Monarchie) als Sicherung individueller Freiheit auf die Teilnahme vieler mündiger, selbstständiger agierender und die jeweilige Lage reflektierender Bürger angewiesen ist, die dann mit individuellen Erkenntnissen und Sichtweisen am Entscheidungsprozess teilnehmen können. Weder eine freiwillige Teilnahme an den Borg noch eine Selbstverpuppung sind daher zulässig, da sie quasi einen Verstoß gegen eine grundlegende Bürgerpflicht und die öffentliche Ordnung in eine Republik darstellen und das Vertrauen in den Bestand dieser öffentlichen Ordnung gefährden.
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“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
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