Zitat von Fluminist im Beitrag #27Vielleicht mußte man manchmal den Umweg über das Arabische machen, weil die Christen der Spätantike nicht so uneingeschränkte Verehrer und Bewahrer der griechischen Wissenschaften waren wie die christliche Propaganda suggeriert?
Es gibt tatsächlich zwei Stränge der antiken Textüberlieferung. [ on]: Im Einzelnen ist das bei Herbert Hunger & Otto Stegmüller, Die Textüberlieferung der antiken Literatur und der Bibel [1975] aufgedröselt*. Die eine Schiene lief über die Vermittlung des Aristotelischen Korpus, neben dem Neoplatonismus, ab Mitte des 13. Jhdt.s, hauptsächlich an der Universität von Paris, aber auch in Italien; die wurde durch die Übersetzung arabischer Textcorpora möglich. (Mit Sizilien als Nexus für die meisten Übersetzungen.) Die Antike galt da als rudimentärer Vorschein der christlichen Heilserkenntnis.
[* Das von Anthony Grafton, Glenn Most & Salvatore Settis edierte The Classical Tradition (Harvard UP, 2010) "hat zwar alles" - irgendwo - & gilt als Standard - aber die 1067 doppelspaltigen Textseiten sind in praxi eine ebenso mühsam zu benutzende Bleiwüste wie, sagen wir, die Omnia divini Platonis opera tralatione Marsilii Ficini, emendatione et ad Græcum codicem collatione Simonis Grynæi, summa diligentia repurgata, quibus subjectus est Index quam copisissimus (Basel, 1546). Graecum est, non legitur.** Oder der olle Pauli-Wissowa.] (**Doch: der drvckt iedes 'u' als 'u' statt als 'v'.)
Die andere Schiene setzt dann kurz vor 1400 mit dem Sammeln & Sichten in den Klosterbibliotheken ein (ganz Mutige wie Poggio oder Poliziano wagen sich bis in die barbarischsten Gegenden wie die Morea oder die Rheinlande ); das kommt in Folge des Paradigmenwechsels (Hans Baron setzt das auf 1385-90 an), als die Antike zum Ideal wird (u.a. bringt das die Aufwertung des ciceronischen Lateins als Stilideal mit sich), angestoßen zuerst von Boccaccio: da geht es sehr oft um die Auffindung von Werken, die zwar erwähnt/zitiert worden waren, aber nicht mehr greifbar waren. Hierzulande am folgenreichsten die Ausgrabung der "Germania" des Tacitus; aus Sicht der Zeitgenossen eher die griechischen Textfassungen von Platon & die meisten Historiker.
Zitathttp://en.wikipedia.org/wiki/Gian_France...gio_Bracciolini __________ "In his epistles he [Poggio] described how he recovered Cicero's Pro Sexto Roscio, Quintilian, Statius' Silvae, part of Gaius Valerius Flaccus, and the commentaries of Asconius Pedanius at St. Gallen. Manuscripts of Columella, Silius Italicus, Manilius and Vitruvius were unearthed, copied, and communicated to the learned. He carried on the same untiring research in many Western European countries. In 1415 at Cluny he found Cicero's complete great forensic orations, previously only partially available.[4] At Langres in the summer of 1417 he discovered Cicero's Oration for Caecina and nine other hitherto unknown orations of Cicero's.[5] At Monte Cassino, in 1425, a manuscript of Frontinus' late first century De aquaeductu on the ancient aqueducts of Rome. He was also credited with having recovered Ammianus Marcellinus, Nonius Marcellus, Probus, Flavius Caper and Eutyches. If a codex could not be obtained by fair means, he was not above using subterfuge, as when he bribed a monk to abstract a Livy and an Ammianus from the library of Hersfeld Abbey." __________
Ich fürchte, "to abstract" meint hier nicht "exzerpieren" (Freilich: "According to a contemporary account, the library was in a state of ruin and decay, many precious volumes had altogether disappeared, and manuscripts containing the archives and records of the house were used in the kennels as litter for the dogs.")
Daß da New-Age-Kappes avant la lettre wie das Corpus Hermeticum zum opus eximium antiker Weisheit wird, zeigt, daß man auf dem Olymp für einen gewissen Sinn für Humor verfügt. [/ off]
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