Kinderarmut im Sinne einer geringen Geburtenrate und im Sinne schlechter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, unter denen Kinder aufwachsen, sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille, nämlich der relativen Schlechterstellung von Familien verglichen mit anderen gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland. Die Reaktion auf diese Schlechterstellung fällt jedoch unterschiedlich aus: Während ein Teil der Menschen die Folgen des Kinderkriegens abschätzt und sich dann in sehr vielen Fällen gegen Kinder entscheidet, was zur Kinderarmut der ersten (und nicht im Artikel diskutierten) Art führt, schätzt ein anderer Teil der Menschen diese Folgen nicht ab, mit dem Ergebnis, dass ihre Kinder sich in der Situation wiederfinden, die der Kinderarmut der zweiten Art, also der hier diskutierten, entspricht.
Beides ist jedoch unmittelbar auf politische Fehlentscheidungen zurückzuführen, so dass die Idee, den Steuerzahler verhaften zu wollen, um Kinderarmut entgegenzutreten, keine sachgerechte Lösung des Problems darstellt. Wichtigster Antreiber der Kinderarmut ist die Arbeitsmarktpolitik, die der Staat betreibt: Offensichtlich wird das Ziel verfolgt, die Erwerbsbeteiligung zu maximieren. Das führt dazu, dass den Menschen die Zeit fehlt, Kinder zu bekommen oder sich um sie zu kümmern. Gleichzeitig führt es aufgrund des gestiegenen Arbeitsangebots zu relativ sinkenden Arbeitseinkommen, die es erschweren, nicht arbeitende Familienmitglieder mit zu versorgen. Sollte ein Arbeitgeber nun auf die Idee kommen, einem Familienvater, von dessen Einkommen mehrere Personen leben, ein höheres Einkommen zahlen zu wollen, wie es in der Vergangenheit üblich war, wird er sich nun wegen Diskriminierung zu verantworten haben, da die alleinstehende Frau, die dieselbe Tätigkeit ausübt, ihm gegenüber nicht schlechter gestellt werden darf. Die Einführung einer Frauenquote dürfte letztlich dazu führen, dass die - tendenziell weniger flexiblen - Familienväter durch alleinstehende Frauen ersetzt werden, was aus Wirtschaftlichkeitserwägungen für die betroffenen Unternehmen rational ist, die Situation für Familien aber weiter verschlechtert.
Hinzu kommt, dass die Warenkörbe, die von Familien nachgefragt werden, erheblich schneller im Preis steigen als die Warenkörbe von Singles. Politisch gewollt ist aktuell u.a. die Konzentration der Bevölkerung in den größeren Städten, die mit einer erheblichen Steigerung der Mieten dortselbst einhergeht. Von dieser Steigerung sind Familien, bei denen das Verhältnis zwischen Mitgliedern und Einkommensbeziehern ungünstiger ist als bei Singles oder DINKs, jedoch in besonderem Maße betroffen. Politische Maßnahmen, die insbesondere Familien begünstigen würden, sind weit und breit nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass der Stromverbrauch eines Familienhaushaltes - in dem tendenziell permanent die Waschmaschine läuft, um Kinderkleidung zu reinigen - erheblich über dem von Einzel- oder Paarhaushalten liegt. Infolge der staatlich geförderten Umverteilung von privaten Stromverbrauchern zu den Betreibern von Photovoltaik- und Windkraftanlagen induziert dies jedoch einen erheblichen Kostenblock, der für viele Familien - insbesondere in Verbindung mit Mietsteigerungen - absehbar existenzbedrohend wirken kann. Jede Maßnahme, ökologisch unvorteilhaft produzierte Güter aus dem Markt zu entfernen oder zu besteuern, trifft Familien besonders hart, weil sie diese Güter konsumieren müssen, da sie sich aufgrund des geringeren pro Haushaltsmitglied zur Verfügung stehenden Einkommens die Alternativen nicht leisten kann. Eine wirksame politische Maßnahme wäre die Einführung eines realistischen Steuerfreibetrages für Kinder, sowie eine deutliche Entlastung von Eltern bei den Beiträgen zur Sozialversicherung. Gegenfinanziert werden könnten diese, indem man die Sozialversicherungsbeiträge als de-facto-Steuern (die Versicherungsleistung bei Alter, Arbeitslosigkeit und Krankheit unterscheidet sich mittlerweile kaum noch von steuerfinanzierten Sozialleistungen, die auch nicht versicherten Personen bei Bedürftigkeit gewährt werden - insofern ist die Existenz einer separaten Sozialversicherung zunehmend schlechter zu rechtfertigen) auch de jure zu solchen macht und insofern alle Einkommen und alle Einkommensbezieher zur Finanzierung heranzieht.
In der Zwischenzeit kümmert sich die Politik vorwiegend darum, Wohltaten für die Generation 60+ aus dem Hut zu zaubern. Diese Wohltaten fließen an eine Bevölkerungsgruppe, die - sofern sie selbst eine Familie hat - mit den hier geschilderten Problemen nie etwas zu tun hatte. Sie werden jedoch finanziert von denen, die das Geld eigentlich dringend für den Unterhalt ihrer eigenen Familie brauchen würden. Weiterhin werden sie zum Teil auf Pump finanziert, was den Trend verstärkt, dass öffentliche Haushalte zu einem zunehmend größeren Teil für Leistungen der Vergangenheit eingesetzt werden, also nicht abbezahlte Infrastrukturinvestitionen vor 30 oder 40 Jahren, bei denen die zugehörige Infrastruktur mittlerweile völlig marode ist, Pensionszahlungen für ehemalige Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, Zinsen auf Schulden, mit denen in der Vergangenheit soziale Wohltaten für dieselben Menschen bereitgestellt wurden, denen man jetzt noch den Ruhestand versüßen will. Sowohl staatliche als auch private Investitionen zeigen einen deutlichen Trend: Eine langfristige Zukunftsperspektive wird allenfalls bei visionären Projekten wie der Energiewende verfolgt, langfristige Commitments zum Standort, die sich aus Erhalt oder gar Verbesserung der grundlegenden Infrastruktur erahnen ließen, sind nicht festzustellen. Auch Investitionen in Bildung und Erziehung sollen nicht dem Wohl der Familien dienen und letztlich den Kindern zugute kommen, sondern lediglich heute die Flexibilität der Arbeitnehmer erhöhen und als Nebeneffekt möglichst noch ein paar Arbeitsplätze für relevante Wählerschichten generieren. Die natürliche Reaktion auf einen solchen politischen Rahmen ist selbstverständlich die Kinderarmut der ersten Art. Wer sich dagegen entscheidet, sieht sich und seine Familie in vielen Fällen schon bald der Kinderarmut der zweiten Art ausgesetzt - es sei denn, er verfügt über einen finanziellen Rückhalt, der ihn davor bewahrt, in Form eines großzügig bemessenenen Kapitalstocks oder einer gut bezahlten und sicheren Arbeitsstelle, die aus den oben angeführten Gründen jedoch zunehmend rarer wird. Die Kinderarmut der ersten Art führt insofern dazu, dass Familien zunehmend die Lobby fehlt, was die Kinderarmut beiderlei Art noch verstärken wird.
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