Zitat von dirk im Beitrag #16
Zitat von Uwe Richard Fall 2) sagt: Sowohl „aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen“ als auch „heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken“.
jo, so lese ich es auch. Beide Bedingungen - niedriger Beweggrund und perfide Art und Weise - müssen erfüllt sein. HIer steht ein sowohl als auch.
Bei dem oben zitierten Satz ist es aber anders. Die Frage ist verknüpft das "Und" zwei Gruppen oder zwei die Gruppe definierende Eigenschaften. In dem ersten Fall wird durch das Und die Gruppe erweitert in dem zweiten Fälle eingeschränkt.
Zitat
Fall 1) Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern ... sagtt: Sowohl geboren als auch aufgewachsen. Das „e“ bei geborene ist falsch und gehört da nicht hin, wie jeder mit etwas Sprachgefühl sofort bemerken wird. Richtig muss es heißen: Für in Deutschland geboren und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern ...
Wenn das "e" da nicht stünde, dann gäbe ich ihnen recht. Dann werden die Eigenschaften "in Deutschland geboren" und "in Deutschland aufgewachsen" verknüpft. Durch das "e" ändert sich das allerdings meinem Sprachgefühl nach. "Studierende und arbeitende Menschen" ist meinem Sprachgefühl nach möglich, umfasst aber beide Gruppen.
Ergänzung: Oder in Ihrer Formulierung: Es macht einen Unterschied ob ich sage "Sowohl geboren als auch aufgewachsen" oder "Sowohl geborene als auch aufgewachsene", denn "geboren" bezeichneteine Eigenschaft, "geborene" dagegen eine Gruppe.
Nachdem ich jetzt nochmal/mehrmals alle für das Thema relevanten Beiträge durchgelesen habe, neige ich jetzt eher Ihrer Ansicht zu. »Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ... « ist eher eine Art Aufzählung, während der Satz ohne das „e“ eher einem „sowohl als auch“ entspricht.
Aus ästhetischen/harmonischen Gründen glaubte ich, dass das „e“ da nicht hingehöre, sehe nun aber dass ich damit den Sinn verfälsche, mithin das Gesagte/Geschrieben interpretiere, also einen Sinn hineinlese, der eventuell nicht gesagt/geschrieben ist.
Letztendlich kommen wir aber auf keinen grünen Zweig. Ein schönes Beispiel (vor geraumer Zeit habe ich mich mal wochenlang damit beschäftigt) ist die amerikanische Verfassung. Bei der Interpretation stehen sich grob gesagt, zwei Lager gegenüber. Die einen sagen, man muss sie wortwörtlich auslegen, während die anderen der Ansicht sind, man sollte versuchen, hinter die Intention zu kommen. Die einzelnen Lager dröseln sich selbstverständlich noch weiter auf, und so kommt man vom hundertsten ins tausendste.
Natürlich ist unser aktuelles Beispiel nicht direkt mit dem der amerikanischen Verfassungsinterpretation vergleichbar, zeigt aber das grundsätzliche Problem auf, mit dem Sprachen behaftet sind. Was im Alltag eindeutig ist, unter anderem, weil die Sprecher sich kennen, muss es in anderem Zusammenhang nicht notwendigerweise auch sein.
Fazit: Sprache ist eben keine Mathematik, ist nicht immer eindeutig – im guten, wie im schlechten Sinne.
Mit freundlichem Gruß
-- Political language – and with variations this is true of all political parties, from Conservatives to Anarchists – is designed to make lies sound truthful and murder respectable, and to give an appearance of solidity to pure wind – Eric A. Blair
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