Zitat von HR im Beitrag #32 Es bleibt zudem die Frage, ob H. wirklich Herr über diese Vielzahl der Transaktionen war. Es bleibt auch die Frage der Schuld seiner Steuerberater, die anscheinend eine unwirksame Selbstanzeige ausgearbeitet haben. Es bleibt die Frage nach der Komplexität, derer die Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht gewachesen war (3,5 Millionen) Insofern bleibt das Scheitern der Selbstanzeige im Dunkeln.Hier hätte eine Revision vielleicht erhellt.
Und grundsätzlich, da es immer gerne als Argument gegen Hoeneß Selbstanzeige angebracht wird. Die Panik aus der diese geboren wurde ist rechtlich irrelevant.Hoeneß hat sich laut Richter "selbst ans Messer geliefert".Am Ende aus rein formalen Gründen. Hier wird die Politik nun wach: "Anforderungen an die Selbstanzeige verschärfen", da ein kühlerer Kopf als Hoeneß hier der Gefängnisstrafe entkommen wäre. Da scheitert jemand an den Anforderungen an eine strafbefreihende Selbstanzeige, und der Schluß der Politiker ist, diese Anforderungen zu verschärfen. Absurd.
Ich habe einzelne Erklärungsversuche gesehen, wie Höneß sich in diese Bredouille hineinreiten konnte, meines Wissen ist aber das, was tatsächlich abgelaufen ist, nicht publik. Beim Handel mit Wertpapieren reicht es ja nicht, am Ende des Jahres Differenzen im Soll und Haben gegeneinander aufzurechnen, sondern man muss zur Ermittlung von steuerlich relevanten Gewinnen und Verlusten allerlei Regeln beachten. Dazu gehören Haltedauer und 'first in, first out' - Regeln. Bis 2009 gab es zudem fast jährliche Änderungen dieser Regeln, mit Unterschieden beispielsweise, ob es sich um Aktien oder sonstige Wertpapiere handelte. Wer in Derivaten handelte, musste evtl. Verfallsregeln von sonstigen Regeln zur Ermittlung von Verlusten beachten.
Wer sich also bei der Haltedauer von beispielsweise 1 Jahr auch nur um einen Tag vertat, konnte einen Verlust plötzlich nicht mehr gegen einen Gewinn verrechnen, das Minus auf dem Konto blieb aber effektiv am Investor hängen. So wäre es möglich gewesen, viel Geld zu verlieren und trotzdem eine hohe Steuerschuld anzuhäufen. Im Übrigen trafen solche Regeln auch auf jeden Bundesbürger zu, der für Geschäfte oder Urlaub Fremdwährungen tauschte und rücktauschte, kaum ein Bürger dürfte dies aber wohl am Ende des Jahres berechnet haben, um eine eventuelle Steuerschuld zu ermitteln.
Ende der 90er-Jahre gab es die ersten online-Bankenangebote, die ein recht einfaches Prozedere für die Teilnahme an den Finanzmärkten erlaubten. Später kamen fast professionelle Tradingwindows dazu. Es gab aber keinerlei Hilfsmittel seitens der Banken, um den Wertpapierhandel unter Kontrolle zu halten. Wer also mit Wertpapieren handeln wollte, der war aus Sicht der Steuerpflicht von vorneherein verloren wenn er seinen Handel nicht mit sorgfältigster Buchhaltung verfolgte, bei der die jeweiligen Regeln abgebildet waren. Die Komplexität konnte dadurch erhöht werden, dass die Anerkennung bestimmter Wertpapiere, ihren Ausschüttungen, Splitting, Umwandlung bei Firmenveränderungen bei der Kategorisierung von Verlusten oder Gewinnen bei den Finanzämtern nicht immer eindeutig und oft erst durch Einschalten der Oberfinanzdirektionen zu klären war.
Wer also als weitgehender Laie dem bequemen Angebot der online-Banken verfiel und neben seinem sonstigen Tagesgeschäft zig-Tausend Handelsgeschäfte in ein paar Jahren tätigte, ohne dies durch einen Profi unter Kontrolle zu halten, dies auch noch mit verschiedenen Banken durchführte, der dürfte mit über 90%iger Wahrscheinlichkeit bereits nach wenigen Monaten den Überblick verloren haben. Die technische Entwicklung im Gefolge des Internets hat mit Höneß wohl eines der ersten Opfer gefordert. Gerade wegen der damit verbunden Komplexität und dem damit verbundenen Aufwand habe ich auch leise Zweifel, dass die tatsächliche Steuerschuld von Höneß überhaupt korrekt ermittelt werden konnte. Keiner der Beteiligten, inklusive Höneß, dürfte sie kennen.
Für mich bleibt da in Folge die Frage, wie kam es dann, wie es gekommen ist. Was macht ein Investor, der weiß, dass er den Überblick verloren hat? Informiert er den Steuerberater korrekt? Dieser würde wohl auch an den Details verzweifeln. Vielleicht ist die Sache schon so weit gelaufen, dass ohne Selbstanzeige und mit dann geschätzten Daten nicht mehr aus der Sache herauszukommen ist? Wollte er ein Schweizer Konto (das per se nicht offengelegt werden musste, soweit es keine zu versteuerten Einkünfte gab) vor dem FA nicht offenlegen? Vermutlich hat Höneß irgendwann den Kopf in den Sand gesteckt.
Man kann darüber den moralischen Zeigefinger heben wie jemand mit einer auf ihn zukommenden Lawine umgeht, ich halte es aber für gewagt, Höneß von vorneherein Betrugsabsicht zu unterstellen. Das in diesem Fall komplexe Steuerrecht mit seinen Detailregelungen trägt das Seine zu dieser Situation bei. Heute übernehmen die Bankenprogramme den Umgang mit diesen Regeln, soweit Transaktionen für sie sichtbar sind. Haltefristen sind inzwischen auch relativiert. Was bleibt: Eigentlich müsste jeder Bürger Devisentausch und -rücktausch protokollieren. Das wird nach wie vor nicht von den Banken erfasst. Sind sehr viele Bürger potentielle Steuerbetrüger? Na ja, solange der € steigt, sind Gewinne unwahrscheinlich.
Vielleicht lässt Höneß mal an dem teilhaben, was wirklich abgelaufen ist. Zeit müsste er jetzt haben.
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