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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 12 Antworten
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Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"  
Simon

Beiträge: 334

05.04.2016 18:43
RE: Christentum und Nihilismus Antworten

Zitat von beer7 im Beitrag #8
Nur zum Vergleich moechte ich auf die Megillat Aicha hinweisen, die von der juedischen Gemeinde am 9. Av (Fasttag zur Erinnerung an den zerstoerten Tempel) gelesen wird.
http://www.chabad.org/library/bible_cdo/...h/Chapter-1.htm


Als Katholik greife ich gern Ihre Anmerkung auf und verweise darauf, dass diese Megillat Aicha im "Stundengebet" der Kirche am Karfreitag in den frühen Morgenstunden (Matutin) zu finden sind und von christlichen Gemeinschaften meist in der Landessprache rezitiert werden. Die 5 kunstvoll gestalteten Lieder in Form der öffentlichen Klage, heißen in der katholischen Bibel "Klagelieder des Jeremia" , weil sie dort dem Prophetenbuch des Jeremia unmittelbar folgen. Wer sie verfasst hat ist ungeklärt. Beweggrund und Inhalt aller Lieder ist die Katastrophe von 587/86, die auch der Prophet Jeremias miterlebt hat: die Wehklage um den zerstörten Tempel und die Stadt Jerusalem , die Deportation der Oberschicht der Bevölkerung nach Babylon, das Ertragen des Spotts der Feinde ...einerseits, und anderseits die Einsicht der eigenen Schuld, die zu der Katastrophe führte, und schließlich die Bitte um Vergebung der Schuld. Die Stadt selbst klagt im antiken Bild einer Frau, die ihres Schmucks beraubt und zur schutzlosen, geschähten Witwe geworden ist.

Sie kennen das, lieber beer7. - Ich versuche - daran anknüpfend - noch ein wenig über den christlichen "Karfreitag" (Ansätze der Bewältigung und Überwindung des Nihilismus) und die Botschaft von der "Auferweckung" des Jesus von Nazareth nachzudenken, nachdem Noricus in seinen "kurzen Gedanken zum Karfreitag" auf seine Weise darauf einging und einige andere ihre Gedanken dazu äußerten. -

Dass diese Klage - und zwar in der oben angeführten Form als Schmerz, der zu Einsicht und Bitte führt - in geschichtlich greifbarer Zeit aufgeschrieben und wachgehalten, überliefert und gemeindlich regelmäßig erinnert worden ist, ist von höchster (theologisch gesprochen: heils- oder offenbarungsgeschichtlicher) Bedeutung. Sie wird den Anhängern des gekreuzigten Messias, Jesus von Nazareth, die ja allesamt Juden waren, neben den täglich gebeteten Psalmen zu einer tiefgreifenden Hilfe, die Katastrophe im Jahr 30 vor den Toren der Stadt Jerusalem bewältigen zu lernen. - Zu den Klageliedern/Megillat Aicha und den Psalmen kommen als entscheidendes Mittel der Bewältigung noch hinzu: die 4 "Gottesknechtslieder" beim Propheten Jesaja. Darin wird das noch im babylonischen Exil lebende Volk Israel (538 wird Kyros die Rückkehr und den Wiederaufbau des Tempels gestatten) diesmal als eine männliche Figur, als leidender Gottesknecht, dargestellt. Das vierte Lied vom Gottesknecht, das eine prophetische Deutung des Geschehens an dieser Figur/diesem Volk enthält, hat seit Alters her seinen angestammten Platz in der reichen, aufschlussreichen Liturgie des Karfreitags, kurz vor der Erzählung der Leidensgeschichte Jesu, deren älteste schriftliche (aramäische) Fassung vielleicht schon wenige Jahre (vor 37!) nach seinem Tod vorlag und erst viel später in das uns vertraute Evangelium nach Markus einging. Die christliche Gemeinde behauptet angesichts der Leidensgeschichte Jesu, dass sich der Sinn des Jesaja-Textes erst voll erschieße, seitdem sich in Christus alles erfüllt hat. Deshalb folgt kurz darauf in der Karfreitagsliturgie der Passionstext. - Wenn man aber den Jesaja-Text liest, seinen historischen Ort bedenkt und dazu den weiteren Verlauf der jüdischen und christlichen Geschichte abwägt, wird man innehalten und nachdenklich fragen, was - wenn wirklich der Erfolg eingetreten ist - dieser gekostet hat und bis in die Gegenwart hinein kostet, wenn es zu Beginn des Lieds heißt: "Seht, mein Knecht hat Erfolg, er wird groß sein und hoch erhaben. (Jes 52,13)"
Als Christ ist man in der Gefahr zu denken: einer hat´s gerichtet. Er hat alles auf sich genommen. Gott hat ihn belohnt: von den Toten erweckt; alles ist getan. Man braucht sich ihm nur anzuschließen usw. oder nicht einmal das. - Der Jesaja-Text sollte davor schützen, so zu denken. Weder Nihilismus ist angebracht, noch purer Optimismus. Die Schriften des Neuen Testaments erwähnen als "Erfolg" die existierenden Gemeinden: erst nur als "christliche" Juden-Gemeinde in Jerusalem, als gemischte G. in Antiochien; die von Paulus und seinen Mitarbeitern gegründeten Gemeinden: in Korinth, Thessaloniki, Philippi, Ephesus, Kolossä ...in Galatien. Was ist darin anders als sonstwo? Immer ist neben dem Erfolg, Gemeinde Christi zu sein, von den Anstrengungen, den Verfolgungen, dem Streit, den es zu schlichten gilt ...von Krankheiten, von Verfehlungen und auch vom Sterben die Rede. Schon bald kam es zur Trennung von jüdischer und christlicher Gemeinde - mit allen Folgen.
Was könnte anders sein? - Ein Leben aus der Zusage, die schon aus dem Jesaja-Text herauszulesen ist. Alles muss durchlebt und durchlitten werden. Aber die Zusage steht tatsächlich: einer - ein Jude - hat es geschafft und davor die vielen, die als Gerechte gelten. Dann die elf - zwölf Männer und die paar Frauen, die neu in Jerusalem angefangen haben. Und gemeinsam mit ihm, dem Gott-Menschen, mit seinem Geist, könnte alles gemeistert werden. Mehr weiß ich nicht zu sagen.

Das vierte Lied vom Gottesknecht: 52,13 - 53,12

13Seht, mein Knecht hat Erfolg, /er wird groß sein und hoch erhaben.
14Viele haben sich über ihn entsetzt, / so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch, / seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen.
15Jetzt aber setzt er viele Völker in Staunen, /
Könige müssen vor ihm verstummen. Denn was man ihnen noch nie erzählt hat, / das sehen sie nun; was sie niemals hörten, / das erfahren sie jetzt.

1Wer hat unserer Kunde geglaubt? / Der Arm des Herrn - wem wurde er offenbar?
2Vor seinen Augen wuchs er auf wie ein junger Spross, / wie ein Wurzeltrieb aus trockenem Boden. Er hatte keine schöne und edle Gestalt, / sodass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, / dass wir Gefallen fanden an ihm.
3Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, / ein Mann voller Schmerzen, / mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, / war er verachtet; wir schätzten ihn nicht.
4Aber er hat unsere Krankheit getragen / und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, / von ihm getroffen und gebeugt.
5Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, / wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, / durch seine Wunden sind wir geheilt.
6Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, / jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr lud auf ihn / die Schuld von uns allen.
7Er wurde misshandelt und niedergedrückt, / aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, / und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, / so tat auch er seinen Mund nicht auf.
8Durch Haft und Gericht wurde er dahingerafft, / doch wen kümmerte sein Geschick? Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten / und wegen der Verbrechen seines Volkes zu Tode getroffen.
9Bei den Ruchlosen gab man ihm sein Grab, / bei den Verbrechern seine Ruhestätte, obwohl er kein Unrecht getan hat / und kein trügerisches Wort in seinem Mund war.
10Doch der Herr fand Gefallen an seinem zerschlagenen (Knecht), / er rettete den, der sein Leben als Sühnopfer hingab. Er wird Nachkommen sehen und lange leben. / Der Plan des Herrn wird durch ihn gelingen.
11Nachdem er so vieles ertrug, erblickt er das Licht. / Er sättigt sich an Erkenntnis. Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; / er lädt ihre Schuld auf sich.
12Deshalb gebe ich ihm seinen Anteil unter den Großen / und mit den Mächtigen teilt er die Beute, weil er sein Leben dem Tod preisgab / und sich unter die Verbrecher rechnen ließ. Denn er trug die Sünden von vielen / und trat für die Schuldigen ein.


Themen Überblick
Betreff Absender Datum
Christentum und Nihilismus Noricus25.03.2016 17:53
RE: Christentum und Nihilismus Frank200026.03.2016 10:05
RE: Christentum und Nihilismus Noricus26.03.2016 18:41
RE: Christentum und Nihilismus nachdenken_schmerzt_nicht26.03.2016 20:15
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RE: Christentum und Nihilismus Noricus26.03.2016 18:55
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RE: Christentum und Nihilismus Simon05.04.2016 18:43
RE: Christentum und Nihilismus Johanes16.04.2016 15:03
RE: Christentum und Nihilismus Noricus04.05.2016 17:40
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RE: Christentum und Nihilismus Noricus04.05.2016 17:10
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