Zitat von R.A. im Beitrag #2 mich würde nicht überraschen, wenn nach Abebben des Flüchtlingsthemas auch die AfD wieder in der Versenkung verschwinden würde. Auch wenn alle anderen Themen wie Atom, Gender etc. weiter auf der Tagesordnung stehen.
Schwer zu sagen, lieber R.A..
Ich bin in der Beurteilung dieser Frage selbst etwas indifferent. Ich glaube dabei zwar auch, dass die Erfolge der AfD sich relativieren werden, sobald man schaffen sollte die Migrationskrise zu entschärfen aber dass sie wieder verschwindet, glaube ich eher nicht. Das ganze hängt natürlich auch wesentlich davon ab, inwiefern die AfD in ihrem bevorstehenden Entwicklungsprozess schaffen wird, sich von Extrempositionen und Extrem-Personalien zu trennen, die in einer bürgerlichen Mitte nicht besonders gut aufgehoben sind
Wenn man den Sachverhalt anders allerdings herum formuliert als du es getan hast, erscheint mir der Zusammenhang mit all diesen Themen viel evidenter. Glaubst du die AfD hätte den aktuellen Wählerzuspruch, wenn es außer der Migrationskrise nichts gäbe? Ich kann mir das nicht vorstellen. Um in einem Bild zu sprechen: Mir erscheint es, als hätte die Migrationskrise, ähnlich wie bei einer Kernspaltung, die kritische Masse gebildet und so begann die Reaktion. Wie sie weiter verläuft, ist schwer vorherzusagen.
Zitat von R.A. im Beitrag #2 wieviele der politischen Spitzenfiguren insbesondere bei SPD/CDU ihre eigene Propaganda auch glauben
Das würde mich auch interessieren. Ich denke, viele glauben sie nicht. Ich denke aber (und darauf wollte ich mit meinem Text hinaus), dass die wenigsten erkennen, dass es viele Menschen gibt, die mit dem Gesellschaftsentwurf, der alle etablierten Parteien derzeit im Kern verbindet, nichts anfangen können.
Zitat von R.A. im Beitrag #2 … das die politischen Parteien nicht alle Positionen widerspiegeln, die es in der Bevölkerung gibt, dürfte normal sein. […] "Politikverdrossenheit" ist ja auch ein uraltes Thema. Trotzdem hat sich das nie wirklich politisch niedergeschlagen.
Da stimme ich dir definitiv zu.
Im aktuellen Fall haben wir aber in meinen Augen mehr, als dass einfach ein oder mehrere politische Positionen nicht vertreten werden, die man sich wünscht. Es stehen sich zwei grundsätzlich verschiedene Gesellschaftsentwürfe gegenüber, die sich nicht „grün“ sind. Das ist das, was ich versuchte mit dem Begriff "Kristallisationspunkt eines Epochenkonflikts" zu fassen. Auf der einen Seite Menschen, die sich vielleicht sowas wie "eine modernisierte aber traditionelle Bonner Republik" wünschen und auf der anderen Seite Menschen, die von sowas wie einem "ökologischen, weltoffenen Utopia" träumen.
Die Politik, in Form der etablierten Parteien, hat sich da vollständig auf die Seite des "ökologischen, weltoffenen Utopias" geschlagen und die durch sie in den letzten Jahren vertretenen, alternativlosen, politischen Positionen sind nichts anderes, als der politische Zwang, den Weg zu diesem Utopia mitzugehen.
Ich bin persönlich ziemlich sicher, dass du in der AfD Wähler aller fünf anderen Parteien finden wirst, von FDP bis Linke. Diese Wähler finden sich nicht deshalb in einer neuen Partei wieder, weil sie grundsätzlich mit ihren politischen Überzeugungen gebrochen haben, sondern weil sie den Weg ins verordnete Utopia nicht mitgehen wollen. Nun ist praktisch sicherlich nicht möglich, dass sich von jeder Partei entsprechend Teile abspalten, daher gärt sich dies in einer neuen Partei aus. In diesem Sinne könnte man den Erfolg der AfD durchaus als den Nachweis eines funktionierenden, demokratischen Systems begreifen, in dem sich der Widerstand gegen ein oktroyiertes Gesellschaftsverständnis formiert, ausgärt und seinen Einfluß sucht.
Ich sehe dies sehr ähnlich zum Entstehen der Grünen, das zwar zunächst aus politischen Positionen heraus motiviert war, aber in seiner Gesamtheit sicher eher als ein Gegenentwurf zum gesellschaftlichen Selbstverständnis der Adenauer Republik verstanden werden kann. Und heute erzielen die Grünen dort ihr mit Abstand bestes Wahlergebnis, wo sich ihr Spitzenkandidat zumindest in Gestus und Auftritt, einem „Staatsmann der alten Adenauer Republik“ wieder etwas annähert.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
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