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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 24 Antworten
und wurde 2.209 mal aufgerufen
Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"  
Simon

Beiträge: 334

03.02.2017 19:16
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Antworten

Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #19


Theologisch ist das Thema Heimkehr unerschöpflich. Es reicht von der Heimkehr des Verlorenen Sohnes, dem der Vater ein Fest bereitet (wobei der eigentlich Verlorene der knurrende Bruder ist!), bis zum neuplatonisch-christlichen Großbild der Erlösung als Heimkehr der Seele aus dem Gefängnis der materiellen Welt in die ewige Heimat bei dem einen Gott, der Geist ist. Heimkehr als Ende der Geschichte – das ist fast schon antijüdisch, unbiblisch; biblisch ist die Verbindung des Himmels zusammen mit der Erwartung einer neuen Erde, auf der Gerechtigkeit wohnt (2 Petr 3,13).

Also nochmals: Auch das ist eine Wurzel Europas. Vor Athen (Philosophie und na ja Demokratie im Anfang) und Rom (Straßenbau und Recht) Jerusalem (Aufklärung als Glaube statt der falschen Heimat in menschengemachter Religion).

Ludwig Weimer



Greift man das Stichwort "Heimkehr" auf, so lassen sich unzählige Dichtwerke bedeutender Autoren finden, die diesen Titel tragen oder sich inhaltlich mit der Heimkehr beschäftigen. Ich greife nur Heinrich Heines Gedichtsammlung heraus, die diesen Titel trägt
Heine war in mehrfacher Hinsicht die Heimat oder was man Heimat nennen kann oder will verlorengegangen. Die deutsche Heimat versagte man ihm durch Ausweisung. Seine biblisch-fundierte Heimat verlor er zeitlebens nicht. Äußerlich gesehen aber sehr wohl: durch seinen staatspolitisch bedingten Übertritt aus dem Judentum zum protestantischen Christentum und durch seine darauf folgende Ablehnung durch die jüdischen Gesellschaft: Familie, Synagoge und - was ihn doppelt treffen musste: die paradoxe Ablehnung durch die christliche Staatsmacht. Dass man ihm eine Frau aus jüdischem Haus, die er in jungen Jahren liebte, vorenthielt und damit ein Stück Heimat versagte, kommt hinzu. Dass er überall aneckt mit seiner überaus scharfen Aufdeckung der Wahrheit, macht ihn zu einem wahrhaft Heimat-losen, rückt ihn aber - wenn man es so sehen darf - in seiner Standhaftigkeit in die Nähe eines biblischen Hiob.

5 Gedichte möchte ich aus der Sammlung zitieren:
Das erste wegen Heines´ unvergleichlichen Stilempfindens und der Leichtigkeit in seiner Dichtung. Die 4 anderen wegen der beachtenswerten Behandlung des Gegenstands, der in aufeinanderfolgenden Gedichten hervortritt:



Wer zum ersten Male liebt,

Sei's auch glücklos, ist ein Gott;

Aber wer zum zweiten Male

Glücklos liebt, der ist ein Narr.



Ich, ein solcher Narr, ich liebe

Wieder ohne Gegenliebe!

Sonne, Mond und Sterne lachen,

Und ich lache mit - und sterbe.


Zitat


36

Mensch, verspotte nicht den Teufel,

Kurz ist ja die Lebensbahn,

Und die ewige Verdammnis

Ist kein bloßer Pöbelwahn.



Mensch, bezahle deine Schulden,

Lang ist ja die Lebensbahn,

Und du mußt noch manchmal borgen,

Wie du es so oft getan.



Zitat


37

Die Heil'gen Drei Könige aus Morgenland,

Sie frugen in jedem Städtchen:

"Wo geht der Weg nach Bethlehem,

Ihr lieben Buben und Mädchen?"



Die Jungen und Alten, sie wußten es nicht,

Die Könige zogen weiter;

Sie folgten einem goldenen Stern,

Der leuchtete lieblich und heiter.



Der Stern blieb stehn über Josephs Haus,

Da sind sie hineingegangen;

Das Öchslein brüllte, das Kindlein schrie,

Die Heil'gen Drei Könige sangen.


Zitat

38

Mein Kind, wir waren Kinder,

Zwei Kinder, klein und froh;

Wir krochen ins Hühnerhäuschen,

Versteckten uns unter das Stroh.



Wir krähten wie die Hähne,

Und kamen Leute vorbei -

"Kikereküh!" sie glaubten,

Es wäre Hahnengeschrei.



Die Kisten auf unserem Hofe,

Die tapezierten wir aus,

Und wohnten drin beisammen,

Und machten ein vornehmes Haus.



Des Nachbars alte Katze

Kam öfters zum Besuch;

Wir machten ihr Bückling' und Knickse

Und Komplimente genug.



Wir haben nach ihrem Befinden

Besorglich und freundlich gefragt;

Wir haben seitdem dasselbe

Mancher alten Katze gesagt.



Wir saßen auch oft und sprachen

Vernünftig, wie alte Leut',

Und klagten, wie alles besser

Gewesen zu unserer Zeit;



Wie Lieb' und Treu' und Glauben

Verschwunden aus der Welt,

Und wie so teuer der Kaffee,

Und wie so rar das Geld! ---



Vorbei sind die Kinderspiele,

Und alles rollt vorbei -

Das Geld und die Welt und die Zeiten,

Und Glauben und Lieb' und Treu'.



39

Das Herz ist mir bedrückt, und sehnlich

Gedenke ich der alten Zeit;

Die Welt war damals noch so wöhnlich,

Und ruhig lebten hin die Leut'.



Doch jetzt ist alles wie verschoben,

Das ist ein Drängen! eine Not!

Gestorben ist der Herrgott oben,

Und unten ist der Teufel tot.



Und alles schaut so grämlich trübe,

So krausverwirrt und morsch und kalt,

Und wäre nicht das bißchen Liebe,

So gäb es nirgends einen Halt.


Themen Überblick
Betreff Absender Datum
Grundsätzliches (1): Heimat Noricus29.01.2017 17:14
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Martin30.01.2017 06:28
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Doeding30.01.2017 08:24
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Noricus30.01.2017 20:27
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Werwohlf30.01.2017 21:11
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Doeding01.02.2017 05:27
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Martin01.02.2017 08:50
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Werwohlf01.02.2017 15:12
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Martin01.02.2017 16:11
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Werwohlf01.02.2017 17:27
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Werwohlf01.02.2017 21:51
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Ulrich Elkmann01.02.2017 23:14
RE: Grundsätzliches (1): Heimat nachdenken_schmerzt_nicht30.01.2017 10:00
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Ludwig Weimer31.01.2017 09:25
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Simon01.02.2017 19:56
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Daska01.02.2017 21:23
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Noricus02.02.2017 20:36
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Ludwig Weimer02.02.2017 21:10
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Simon03.02.2017 19:16
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Hanna Eiselt24.02.2017 10:42
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Daska04.02.2017 15:03
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Ludwig Weimer05.02.2017 18:32
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Simon05.02.2017 20:43
RE: Grundsätzliches (1): Heimat R.A.31.01.2017 16:47
RE: Grundsätzliches (1): Heimat Daska03.02.2017 22:30
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