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RE: Der letzte Blick in die Kristallkugel: Wie geht die Bundestagswahl aus?
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Zitat von hubersn im Beitrag #362 Den Teil mit der Verfassung verstehe ich nicht - wurden Maßnahmen nun mindestens hinterher für verfassungswidrig erklärt?
Sie meinen vom BVerfG? Sie wissen ja, daß das BVerfG immer nur in Kraft getretene Gesetze für verfassungswidrig erklären kann, und zwar nach einer gewissen Bearbeitungszeit. Das ist manchmal sehr unpraktisch und reißt neue Probleme auf. Insbesondere heißt es, daß durchaus verfassungswidrige Gesetze bestehen können, nämlich so lange, wie keiner mit der entsprechenden Begründung geklagt hat. Heißt, daß Ihr Schluß "ein Gesetz ist nicht vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt -> es ist nicht verfassungswidrig" so falsch ist. Deswegen --und das ist mein Punkt-- ist es sinnvoll, wenn die anderen Gewalten nicht die Gewohnheit pflegen, ihre Rechtsakte stets so zu setzen, daß Verfassungsstreitigkeiten entstehen, sondern etwas Repekt vor der Verfassung zeigen. Meinem Gedankenexperiment liegt genau dieser Respekt zugrunde.
Zitat von hubersn im Beitrag #362 Und noch eine Zusatzfrage: was müsste in einer Verfassung stehen, damit sie drauf vorbereitet ist?
Das ist einfach zu beantworten: Analog zum Verteidigungsfall hätte man einen Pandemiefall in der Verfassung haben müssen. Allgemein werden ja solche Ausnahmesituationen gerne benutzt, um Dinge zu etablieren, die normalerweise nicht toleriert würden, z.B. Völkermorde oder Diktaturen. Es ist ja zutreffend, daß in den Ausnahmesituationen die normalen staatlichen Verfahren und die normale Balance von Rechten und Pflichten nicht reichen. Genau deswegen sind es ja Ausnahmesituationen. Momentan leben wir mit ad hoc-Maßnahmen. Das ist einfach nicht schön. Es ist schlecht für die Rechtssicherheit, es weckt Mißtrauen bei Demokraten und ist einfach Ineffizient, wie man an dem Hin und Her bei Masken, Impfen und Öffnungen sehen kann. Wenn man ad hoc-Verbote erläßt, signalisiert man ja, daß alles, was nicht verboten wurde, sicher sei. Man verbietet einen Weihnachtsmarkt unter freiem Himmel, und das Signal ist, daß die Leute sich lieber in geschlossenen Räumen versammeln, obwohl dort die Übertragungswahrscheinlichkeit viel höher ist.
Zitat von hubersn im Beitrag #362 Aber am Gedankenexperiment beteilige ich mich gerne: wir hätten 2 Wochen Lippenbekenntnisse der Solidarität und des gesellschaftlichen Zusammenhangs gehört, und dann wären die Krankenhäuser übergelaufen.
In meinem Umfeld war die Solidarität echt. Immunkompetente Leute haben ihren geschwächten Nachbarn angeboten, für sie gratis die Einkäufe zu erledigen, damit sie sich nicht exponieren müssen. Bürger, die einen Anspruch auf Gehör in Präsenz hatten (weil Ausnahmen oder Onlinemöglichkeiten noch nicht bestanden), haben eingewilligt, diesen Anspruch später geltend zu machen. Und in der ersten Welle, als noch nichts war mit medizinischen Masken und Impfungen, waren bei uns die Krankenhäuser auch gar nicht so wie jetzt vollgelaufen, wo der Staat mit seinen ad hoc Gesetzen um sich wirft.
Zitat von hubersn im Beitrag #362 Diese Pandemie hat uns ja einiges gelehrt.
Mit dem Satz zeigen Sie, daß Sie eben nicht auf mein Gedankenexperiment eingegangen sind. Der dirigistische Umgang mit der Pandemie hat im Gegenteil gezeigt, daß er dem Egoismus gegenüber hilflos ist. Und ich wage zu behaupten, daß ein großer Teil des Egoismus gerade durch den dirigistischen Umgang provoziert wurde. Die Menschen sind lieber kooperationsbereit, wenn sie den Eindruck haben, freiwillig zu handeln, als wenn sie den Zwang spüren. Da ist Machiavelli verständiger als Hobbes.
Zitat von hubersn im Beitrag #362 Ohne Maßnahmen, mit alleinigem Vertrauen auf Rücksichtnahme und Einsicht, wäre es in kürzester Zeit zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen gekommen.
Mit Maßnahmen aber auch, wie wir sehen. Für mich ein Zeichen, daß die Vorbereitung fehlte, d.h. das IfSG von 2000 war unzureichend. Und das sollte ja unstrittig sein, da man seine Möglichkeiten am Anfang nicht ausgeschöpft hat (z.B. Einreisen nur bei Quarantäne, stattdessen hat der Staat sogar viel Geld ausgegeben, damit die Leute, die sich eine Auslandsreise leisten konnten, sofort und ohne Test wieder einreisen können.) und später ad hoc-Änderungen vorgenommen hat.
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