Zitat von Martin im Beitrag #378Ich mag ja solche Ferndiagnosen. Dänemark hat in der skandinavischen Sammlung gefehlt.
Dänemark profitierte nicht wie Schweden in ähnlicher Weise vom vorbildlichen Verhalten seines Nachbarn, und man war mit mancher Maßnahme eher etwas spät dran. Aber die Dänen hatten deutlich striktere Maßnahmen als Schweden, wenn auch nur jeweils für kurze Zeit (nämlich eher "rechtzeitig" - im Moment ist gerade Teil-Lockdown in Erwartung der Omikron-Welle), und deutlich bessere Zahlen, wenn auch nicht so gute wie Norwegen oder Finnland.
Zitat Und ich habe die Situation in Dänemark im Sommer 2020 hier schon beschrieben. Außer bei der Apotheke gab es Null Restriktionen im Alltag. Solche Vorurteile mit Disziplin mögen gefallen, das war aber auch in Kopenhagen nicht so. Im Gegenteil. Gerade die Jugend war sich eng auf der Pelle. Der Unterschied zu Deutschland war eklatant.
Im Sommer 2020 war Deutschland auch nahe bei "alles geht". Sogar Großveranstaltungen bis 1000 Personen waren zulässig und wurden durchgeführt, die Älteren erinnern sich. Auch der Reiseverkehr war fast wie in Vor-Pandemie-Zeiten. Die Restriktionen hierzulande waren weniger scharf als in Schweden.
Es scheint generell ein beliebtes Argumentationsmuster zu sein, jeweils einen bestimmten Zeitpunkt im Pandemieverlauf herauszugreifen und daraus dann genehme Schlüsse zu ziehen. Siehe z.B. "in Tschechien gab es nur viel kürzer Restriktionen, und da ist die erste Welle viel niedriger gewesen!". Oder auch "in Tschechien sieht man, dass Herdenimmunität per Durchseuchung funktioniert!" (beliebte Argumentation bis Mitte Oktober 2021, bevor die Fallzahlen wieder dramatisch anstiegen und die Todeszahlen kurz danach auf neue Rekordhöhen vermutlich auch aufgrund der niedrigen Impfquote stiegen). Aber Korrelation ist auch in der Pandemie keine Kausalität.
Zitat Und nach den Zahlen - ein klein bisschen in Kontext gesetzt - hat Schweden keinen hohen Preis bezahlt. 2021 hat Schweden Untersterblichkeit, im Gegensatz zu Deutschland.
Warum jetzt wieder der Vergleich mit Deutschland? Im Vergleich mit Norwegen und Finnland steht Schweden jedenfalls katastrophal schlecht da, übrigens auch bei der wirtschaftlichen Entwicklung - viele Kranke machen sich halt schlecht im BIP. In 2021 sieht es etwas besser aus - die Untersterblichkeit ist den Restmaßnahmen (hilft gut gegen Grippe) und vor allem der Impfung zu verdanken.
Deutschland verdankt sein Katastrophenjahr(-esbeginn) 2021 ja gravierenden politischen Fehlern, wenn man das als Benchmark nimmt sehen fast alle Länder daneben gut aus.
Zitat
Zitat Logischerweise sind Ländervergleiche immer schwierig, weil je nach Konstellation es auch einfach durch den Faktor "Glück" zu ganz unterschiedlichen Verläufen kommen kann. Bei der ersten Welle kann man das schön sehen, wenn man z.B. Schweden mit Tschechien vergleicht. Und dann sieht, was den Tschechen ab Ende 2020 widerfahren ist. Tschechien ist auch ein schönes Beispiel dafür, dass das Konzept "Herdenimmunität durch Durchseuchung" nicht mal bei einem deutlich niedrigeren Durchschnittsalter der Bevölkerung eine empfehlenswerte Strategie ist. Wenn man den tschechischen Zahlen glauben darf, hält der Immunschutz von Genesenen ungefähr so lange vor wie der von Geimpften.
Man könnte auch Dänemark und Norwegen anschauen: Erst mit der Impfung gingen die positiven Tests durch die Decke.
Ja, das ist ja (für den Verlauf ab etwa März 2021) auch sonnenklar: im Gegensatz zu den Wellen in der Vor-Impf-Zeit hat man laufen gelassen anstatt frühe Maßnahmen zu ergreifen. Im Vertrauen darauf, dass der Impfschutz reicht. Übrigens der frühe Beweis dafür, dass die faktische Abschaffung der Tests für Geimpfte hierzulande eine Fehleinschätzung war.
Wobei man schon konstatieren muss, dass Dänemark schon Anfang November 2020 die Lage nicht mehr im Griff hatte und die Fallzahlen explodierten - das war logischerweise deutlich bevor die Impfkampagne startete. Dänemark hat den Großteil aller COVID-19-Todesfälle zwischen November 2020 und Februar 2021 zu beklagen, als die Impfung noch nicht wirken konnte.
Zitat Interessant ist aber ein anderer Vergleich, für den ich keine Antwort habe: Obwohl die Inzidenzen in Dänemark, Norwegen mit Deutschland vergleichbar sind, ist die ICU-Belegung/Hospitalisierung in Deutschland weit höher. Irgendetwas ist da völlig anders.
Die Impfung hat die Inzidenzen von der Hospitalisierung - für die geimpfte Kohorte - entkoppelt. Und Deutschland hat deutlich mehr (gegen Delta) schlecht wirkenden Impfstoff verimpft als die Skandinavier - man erinnere sich, wie uns Dänemark mit nicht unerhebliche Mengen AstraZeneca ausgeholfen hat, damit wir nicht ganz auf dem Trockenen sitzen.
Und zuletzt hat Norwegen deutliche niedrigere Inzidenzen als Deutschland, und Dänemark hat deutlich schneller aufgefrischt. Der entscheidende Schlüssel ist die Impfung. Der zweite Schlüssel ist, dass sowohl Dänemark als auch insbesondere Norwegen ein deutlich niedrigeres Durchschnittsalter haben. Schweden übrigens auch. Ein weiterer Grund mag sein, dass die Belastung des dortigen Gesundheitswesens nicht ganz unsere Spitzenlast erreicht - es gibt da durchaus eine Korrelation, die nahelegt, dass bei uns zu den Spitzenzeiten die Qualität der Versorgung doch merklich gelitten hat. Der CFR ist auch altersbereinigt bei uns teilweise ungewöhnlich hoch im internationalen Vergleich.
Wenn man natürlich der Meinung ist, dass die Impfung nicht hilft, steht man bei der Zahleninterpretation in der Tat vor einem Rätsel. Es empfiehlt sich dann immer, mal die Prämissen zu prüfen, dann löst sich vieles in Wohlgefallen auf.
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